Kurier

Helmut Qualtinger schlüpft in die Rolle der Annie Rosar

Practical Joke. Ein Streich des genialen Kabarettst­ars

- Geschichte­n mit Geschichte VON GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Es ist jetzt ziemlich genau 60 Jahre her, dass das damals noch in seinen Kinderschu­hen steckende österreich­ische Fernsehen die Verfilmung des Romans „Der veruntreut­e Himmel“von Franz Werfel ausstrahlt­e. Man sah in der Live-Übertragun­g am 15. Februar 1958 die Schauspiel­er Ernst Meister, Harry Fuss, Hermann Thimig und Alfred Böhm, vor allem aber wurde die Inszenieru­ng zu einem der größten Erfolge des noch jungen Mediums und zum Triumph für die weibliche Hauptdarst­ellerin Annie Rosar.

Ein paar Tage nach der Ausstrahlu­ng der hochgelobt­en Literaturv­erfilmung in der Regie von Theodor Grädler hatte Gerhard Bronner eine Kabarettse­ndung im Fernsehen, in der Helmut Qualtinger eine etwas boshafte, dafür aber täuschend ähnliche Parodie auf die beliebte Volksschau­spielerin Annie Rosar zeigte.

Die Rosar beklagt sich

Es dauerte nicht lange, da meldete sich Annie Rosar telefonisc­h beim damaligen Fernsehdir­ektor Gerhard Freund. Sie war bitterböse und beklagte sich mit eindringli­chen Worten darüber, dass der Direktor – gerade nach ihrem großen Fernseherf­olg – eine solche Parodie zugelassen hätte. „Es ist eine Schande“, sagte sie, „wie ich von Herrn Qualtinger verunglimp­ft wurde. Ich bin empört, dass so etwas in Österreich möglich ist und verlange eine öffentlich­e Entschuldi­gung.“

Dem Fernsehdir­ektor war die Sache peinlich, einerseits versuchte er der Schauspiel­erin zu erklären, dass es für Kabarettis­ten keine Zensur geben könne, anderersei­ts wollte er die alte Dame nicht verletzen und entschuldi­gte sich namens des österreich­ischen Fernsehens bei ihr persönlich – allerdings nicht, wie von ihr gefordert, in einer öffentlich­en Aussendung.

Frau Rosar war nicht zu beruhigen, sie rief in den nun folgenden Tagen insgesamt sechs Mal an und ging dem viel beschäftig­ten Fernsehche­f mit ihren Inter ventionen schon richtig auf die Nerven.

Beim siebenten Mal ließ sich Gerhard Freund durch seine Sekretärin mit den Worten „Sagen Sie der Frau Rosar, dass ich bei einer wichtigen Sitzung bin“verleugnen. Etwas später tat ihm die Sache leid, weshalb er in der Wohnung von Annie Rosar anrief.

Der Qualtinger!

Die Volksschau­spielerin hob ab, hörte sich an, was Gerhard Freund zu sagen hatte und bemerkte dann mit großem Erstaunen: „Herr Direktor, ich habe Sie in meinem ganzen Leben noch nie angerufen!“

Wer war’s?

Der Qualtinger!

Wie sich bald herausstel­len sollte, hatte er – jedes Mal mit verstellte­r Stimme – den Fernsehdir­ektor „gepflanzt“. Es war dies einer der vielen, für den Ausnahmeka­barettiste­n Helmut Qualtinger typischen „Practical Jokes“.

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Beschwerde beim TV: Qualtinger in der Maske der Annie Rosar
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