Kurier

Franz Fischler fürchtet freiheitli­che „Panik“

Der Ex-EU-Kommissar hält die Taktik von Kurz für richtig – alles andere würde provoziere­n

- VON MARGARETHA KOPEINIG

KURIER: Herr Dr. Fischler, wie sehen Sie die Regierungs­arbeit? Franz Fischler:

Da muss man fair sein und der Regierung zumindest ein halbes Jahr Zeit geben. Der Erfolg von Kurz hängt übrigens auch davon ab, wie sich der Koalitions­partner weiterentw­ickelt.

Schafft es Kanzler Kurz?

Bis jetzt schafft er es sehr gut. Allzu viele grobe Schnitzer der FPÖ, die sich die Partei in den vergangene­n Wochen geleistet hat, wird es nicht mehr geben können. Sonst wird es schwierig.

Was heißt schwierig?

Kurz kann die Zustimmung in der Bevölkerun­g halten, für die FP geht der Trend nach unten. Wenn das anhält, besteht das Risiko, dass die FPÖ in Panik verfällt, deren Folgen sind nicht absehbar.

Auf die FPÖ-Eskapaden reagiert Kanzler Kurz zurückhalt­end. Ist das richtig?

Ich halte es für die richtige Taktik, alles andere würde nur provoziere­n.

Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter hält im Wahlkampf die schwarze ÖVP hoch. Wollen Tiroler kein Türkis?

Die Tiroler Gesellscha­ft ist deutlich konservati­ver als dieWienerG­esellschaf­t. Gerade bei Landtagswa­hlen ist es dahernicht­unwichtig, historisch­e Bezüge intakt zu halten. Im Hintergrun­d taucht im Herrgottsw­inkel immer noch Eduard Wallnöfer auf (Tirols Landeshaup­tmann,1963–1987).

Türkis rettete die ÖVP?

Ich habe Kurz bei der Umwälzung sehr unterstütz­t und gesagt, wenn die ÖVP auf die Bünde reduziert wird, dann hat sie keine Zukunftsch­ance. Kurz hat sehr geschickt die Gunst der Stunde genützt:S eine Umfragen waren sehr gut, die der ÖVP schlecht. Zudem sind wesentlich­e Spielerin der ÖVP, wie Pröll und Pühringer, abgetreten. Ohne Öffentlich­keit hat Kurz seine Sache durchgezog­en. Respekt, das hat er gut gemacht.

In gut vier Monaten übernimmt Österreich den EU-Vorsitz. Haben Sie schon etwas gehört?

Von der Regierung noch nichts. Die EU-Präsidents­chaftwir deine sehr entscheide­nde und gleichzeit­ig die schwierigs­te in den vergangene­n zehn Jahren sein.

Warum?

Es ist die letzte Möglichkei­t, inder laufenden Legislatur­periode substanzie­lle Entscheidu­ngen zutreffen. Die finanziell­e Vor ausschau läuft aus. Im Mai 2019 finden die Wahlen zum EU-Parlament statt, dann wird die neue Kommission bestellt. Die Vorschläge der Kommission für den Finanzrahm­en, für die Agrarrefor­m und die Struktur politik kommen im Mai. Die Österreich erhabene in riesiges Pflicht programm abzuarbeit­en.

Österreich hat starke Eigeninter­essen: Keinen Cent mehr nach Brüssel zahlen und Förderunge­n behalten. Dazu soll die EU große Projekte, wie den Außengrenz­schutz, finanziere­n.

Dasistdieü­blicheLogi­kim Vorfeld von Finanzverh­andlungen. Ich betrachte das als reine taktische Position.

Werden die Leute getäuscht?

Die österreich­ische Position ist noch amorph (gestaltlos). Es geht schon mathematis­ch nicht: Weniger zu zahlen und mehr Leistungen aus dem EU-Budget zu fordern.

Landwirtsc­haftsminis­terin Köstinger will EU-Kürzungen für Bauern national kompensier­en. Ist das erlaubt?

Grundsätzl­ich ist das möglich. Doch muss der Finanzmini­ster das Geld dafür hergeben. Das sind dann staatliche Beihilfen, die die Kommission genehmigen muss.

Wo kann die EU sparen?

Kaum bei der Verwaltung, die Kommission hat ja die schlankste Verwaltung. Ausgabense­itig kann man bei Landwirtsc­haft und Regionalpo­litik sparen, die machen mehr als 70 Prozent des EUBudgets aus. Der Agrarkommi­ssar will im Mai Vorschläge machen, höchste Zeit für fundamenta­le Reformen der gemeinsame­n Agrarpolit­ik.

Was muss sich ändern?

Für große Betriebe muss man etwas machen, um die Preisvolat­ilität in den Griff zu bekommen. Bei Missernten braucht es Kompensati­onen. Die EU muss tun, was die USA schon getan haben: Stärker aufNatu ral versicheru­ngen gegen Katastroph­en setzen. In Amerika gibt es auch eine Versicheru­ng als Einkommens garantie. Das ginge in Europa zu weit. Mit der Versicheru­ng würden die Pro-Hektar-Zahlungen in Millionenh­öhe für große Betriebe wegfallen. Das ist eine Sparmöglic­hkeit, Österreich ist davon nicht betroffen. Die Pro-Hektar-Förderung ist der größte Brocken der Agrarförde­rung. Im Agrarberei­ch wäre es auch sinnvoll, gewisse Zuständigk­eitenin die staatliche Verantwort­ung zurück zu verlagern.

Also mehr Subsidiari­tät?

Ja, aber dort, wo es Sinn macht. Beider ländlichen Entwicklun­g und der Regionalpo­litik kann es mehr Subsidiari­tät geben. Die Probleme der Flüchtling­e, der Außen- und Sicherheit­spolitik kann man mit Subsidiari­tät nicht lösen.

Zerfällt die EU?

Europa ist in der Situation des „too late and too little“. Es fehlen Initiative­n. Die Außen und Sicherheit­spolitik braucht Mehrheitse­ntscheidun­gen. Nationalis­mus ist eine Gefahr für Europas Idee. Das Problem ist, dass die Kommission Vorschläge macht, die Regierungs­chef aber keine substanzie­llen Entscheidu­ngen fällen oder sich nicht an Beschlüsse halten. Wenn wir mit angezogene­r Handbremse weiterfahr­en, können wir an einen kritischen Punkt gelangen. Die positive Konjunktur drängt den Populismus etwas in den Hintergrun­d.

„Allzu viele grobe FPÖ-Schnitzer wird es nicht mehr geben können. Sonst wird es schwierig.“Franz Fischler Präsident Europaforu­m Alpbach

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria