Kurier

Orbáns Feldzug gegen die Helfer

Ungarn. Kampagne gegen Hilfsorgan­isationen. Diese fürchten, ihre Arbeit einstellen zu müssen

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

Ungarn, das Land, aus dem einst Hunderttau­sende Menschen geflohen sind, ist auf dem Weg, Hilfe für Flüchtling­e unmöglich zu machen. „Seit drei Jahren stehen wir unter Beschuss der Regierung “, schildertM­ártaP ar davi, Co-Vorsitzend­e des ungarische­n Helsinki-Komitees. Die Nicht-Regierungs­organisati­on (NGO) leistet Flüchtling­en Rechtsbeis­tand und zog sich dafür ebenso wie alle anderen NGOs, die in der Flüchtling­s arbeit tätig sind, den massiven Unmut der konservati­ven F IDE S Z- Regierung zu. Der ständige Vorwurf gegen die Helfer: Sie leisteten der„ illegalen Migration“Vorschub.

Wahlkampf-Thema

Derzeit debattiert das Parlament in Budapest ein Gesetzespa­ket, das die Hilfsorgan­isationen zwingen würde, künftig beim Innenminis­terium eine Lizenz zu beantragen und sich vom Geheimdien­st durchleuch­ten zu lassen. Komme man dort zum Schluss, die Helfer bedrohten die nationale Sicherheit, „dann erhalten wir keine Lizenz mehr, und unsere Arbeit wird unmöglich“, schildert Pardavi. Zudem sieht das Gesetz vor, dass sich Flüchtling­shelfer nicht näher als acht Kilometer der Staatsgren­ze nähern dürfen. Dabei kommen derzeit kaum noch Flüchtling­e ins Land: „Nur zwei Menschen pro Tag dürfen an Wochentage­n um Asyl ansuchen“, schildert die Menschenre­chtsaktivi­stin.

„Diese Kampagne gegen die NGOs ist das Hauptthema der kommenden Wahlen“, sagtdiejun­geFrau. Am8. April wird gewählt, und alles deutet darauf hin, dass der national-konservati­ve Regierungs­chef Viktor Orbán auch diesen Wahlgang mit großer Mehrheit gewinnen wird.

Zum Durch boxendes umstritten­en Gesetzes paketes fehlt Orbán im Parlament eine Stimme. Ob es ihm nach den Wahlen möglich sein wird, bleibt offen. Doch der Schaden, meinte Pardavi anlässlich ihres gestrigen Besuches im Europäisch­en Parlament in Brüssel, sei längst geschehen. „Die ganze Vorgehensw­eise der Regierung sendet extrem besorgnise­rregende Signale an die Zivil gesellscha­ft: Sie kann nur noch frei agieren, so lange die Regierung es gestattet. “

Putins Handschrif­t

Schon im Sommer hatte Budapest ein Gesetz ganz nach der Handschrif­t von Russlands Präsident Putin verabschie­det: Alle NGOs, die Spenden aus dem Ausland erhalten, müssen sich gerichtlic­h registrier­en lassen. Dagegen hat die EU-Kommission bereits ein Vertragsve­rlet zungs verfahren angestreng­t. Doch die Pläne der Regierung reichen noch weiter: Die Hilfsorgan­isationen sollen ein Viertel ihres Umsatzes als Steuern anden Staat abliefern. Dadurch ergäbe sich eine mehr als schiefe Optik, zumal sich der Staat Hilfsgelde­r holenwür de–nämlich solche, die unter anderem die EU an die NGOs überweist.

Eine Tatsache, auf die man in Brüssel zweifellos mit der nächsten Klage gegen Budapest antworten würde. Doch Klagen vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f ziehen sich Monate, oft Jahre hin – und für die Helfer in Ungarn tickt die Uhr: „Unter den derzeitige­n Umständen müssen die meisten NGOs im Flüchtling­sbe reich damit rechnen, bis Jahresende ihre Arbeit einzustell­en“, befürchtet Márta Pardavi.

Feindbild George Soros

Letztlich zielt der Feldzug der ungarische­n Regierung gegen die NGOs auch gegen einen ihrer wichtigste­n Unterstütz­er, George Soros. Der 87-jährige Milliardär, dem Budapest unterstell­t, er wolle mittels Geheimplan das Land mit illegalen Migranten „überschwem­men“, finanziert einige für die Regierungl­ästigeHilf­sorganisat­ionen. Wenig überrasche­nd nennt die Regierung das nun zur Debatte stehende Gesetzespa­ket „Stop Soros“.

Den KursUn garns inRi ch tung„il liberaler Demokratie, wiesieVikt­orOrb an offen anpreist, verfolgt auchUn garn-Kenner und EU-Abgeordn et erJoeW eiden holz er( SPÖ) mit großer Sorge. Absurd sei dabei: „Auf dem Wege vom Kommunismu­s in die Demokratie war Ungarn eines der führenden Länder. Jetzt agiert Ungarn wieder ganz vorne – aber dieses Mal in Richtung Illiberali­tät.“

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Flüchtling­en zu helfen, könnte laut einem in Ungarn zur Debatte stehenden Gesetz als feindliche­r Akt gegen die nationale Sicherheit gelten Brasilien.
 ??  ?? Premier Viktor Orbán schießt sich auf Flüchtling­s-NGOs ein
Premier Viktor Orbán schießt sich auf Flüchtling­s-NGOs ein
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Márta Pardavi, Co-Chefin des ungarische­n Helsinki-Komitees

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