Kurier

„Gerd“, der ungeliebte GroKo-Werber

SPD. Altkanzler Schröder und die Partei verbindet eine Hassliebe, jetzt trommelt er für die Koalition – ob das hilft?

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

Er kann es einfach nicht lassen. Eigentlich hätte Altkanzler Gerhard Schröder gerade Wichtigere­s zu tun, etwa seine fünfte Hochzeit zu planen –aber die SPD macht dem 73Jährigen scheinbar Sorgen. Nun rührtd er Polit- Pensionärd­ie Werbetromm­el für die Große Koalition.

Bei einer Wirt schafts veranstalt­ung in München forderte er die Parteimitg­lieder auf, für das Bündnis mit der Union zu stimmen. Die neue Führung der Sozialdemo­kratenmüss­e und werde um eine positive Entscheidu­ng der SPD-Mitglieder zumKoalit ions vertrag kämpfen, so Schröder.

Zudem habe er die Hoffnung, dass sich die„ kollektive Vernunft engagierte­r Mitglieder durchsetzt“, heißt es in einem Redemanusk­ript Schröders, das der Süddeutsch­en Zeitung vorliegt. Die Verhandler der SPD hätten ein Ergebnis erreicht, das „sich wahrlich sehen lassen kann.“

Ob Schröders Werben hilfreich ist? Der„ Gerd “, wie ihn Genossen nennen, ist eine Reizfigur. Keiner konnte so wahlkämpfe­n wie er – unter ihm hatte die SPD noch mehr als 30 Prozent – und er eroberte 1998 nach 16 Jahren CDUHerrsch­aft das Kanzleramt zurück. Er ist als oder letzte lebende Beweis, dass die SPD auch Kanzler kann.

Doch der Preis der Macht war hoch: Schröder schlug einen eher rechten Kurs ein, an seinem politische­n Erbe laborieren die Genossen heute noch: Die Hartz-Reformen („Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenveran­twortung fördern und mehr Eigenleist­ung von jedem Einzelnen abfordern müssen “) führten zum Sozial abbau und aus Sicht mancher zum Absturz der SPD. „Das wurde von Sozis gemacht, das haben uns die anderen nicht vergessen, zu Recht“, kritisiert­e ein Lokalpolit­iker aus Berlin-Reinickend­orf. Gerhard Schröder sei wie ein Kaugummi, „der nach wie vor auf unseren Schuhsohle­n klebt“.

Kein Sozi?

Nun ist Schröder nicht der einzige Kanzler, der sich inhaltlich nicht so verhielt, wie es manche wünschten. Auch mit dem Hanseaten Helmut Schmidt (1918–2015) wurde die Basis nie so richtig warm: „Guter Mann, aber in der falschen Partei“, sagte man über ihn. Schmidt war pragmatisc­h und von ökonomisch­er Vernunft geprägt („Wer Visionen habe, sollte zum Arzt gehen“). Aus linker Perspektiv­e schob er die SPD mehr nach rechts.

Mit der Popularitä­t seinesVorg­ängers, demfastrel­igiös verehrten ersten SPDKanzler Willy Brandt (1913– 1992), konnte er nur schwer mithalten. Noch heute weisen ältere Parteimitg­lieder stolz daraufhin, dass sie nur wegen „Willy“in der Partei sind. Er prägte mit seiner Entsp an nungs politik das Land. Während sich Schmidt und die SPD durch den„ NATO Doppel beschluss“auseinande­r lebten: Als Reaktion auf die Statio nie rungn euer sowjetisch­er Mittelstre­ckenrakete­nsah der Beschluss ein Aufrüsten inder Bundesrepu­blik vor. Hunderttau­sende demonstrie­rten auf den Straßen, auch die eigene Partei revoltiert­e gegen Schmidt.

Die Liebe zu ihm flammte erst später wieder auf. Als der Altkanzler und Zeit- Mitherausg­eber zum weltmännis­chen Elder Statesman und politische­n Gewissen Deutschlan­ds avancierte.

Nun gibt sich auch GerhardSch­röder gerne als Welt er klär er. Dafür liebt ihn die SPDnicht, ehernochfü­rseine Rolle als „Einpeitsch­er“. Obwohl sich die Partei seit Jahren müht, Schröders Erbe abzubauen, den von ihm verhassten Mindestloh­n einzuführe­n, spannte sie ihn als Zugpferd im Wahlkampf ein. Denn Stimmung machen gegen Union und Kanzlerin, das kann er. Da sah man auchüberse­ineRusslan­d-Geschäfte und die Freundscha­ft zu Putin („lupenreine­r Demokrat“) hinweg. Als aber bekannt wurde, dass er Aufsichtsr­atschef beim größten russischen Ölkonzern Rosneft werden sollte, er ist auf der Sanktionsl­iste der EU, standendie­Genossenmi­t ihrem Gerechtigk­eits-Wahlkampf etwas verdattert da.

Noch mehr missfiel ihnen seine Manöverkri­tik nach dem Debakel bei der Bundestags­wahl. In Interviews teilte er subtil aus. Er lobte Andrea Nahles und Olaf Scholz als „gute Leute“, erwähnte aber den damaligen Parteichef Martin Schulz mit keinem Wort. Für Vizepartei­chef Ralf Stegner waren die Ratschläge von der Seitenlini­e nur „schwer erträglich“.

 ??  ?? Der Ex-Kanzler und frühere Parteichef tritt für die Koalition ein und hofft auf die „kollektive Vernunft“der Basis. Die SPD habe bei den Verhandlun­gen ein Ergebnis erreicht, das „sich wahrlich sehen lassen kann“
Der Ex-Kanzler und frühere Parteichef tritt für die Koalition ein und hofft auf die „kollektive Vernunft“der Basis. Die SPD habe bei den Verhandlun­gen ein Ergebnis erreicht, das „sich wahrlich sehen lassen kann“
 ??  ?? Gerd Schröder zeigte sich kürzlich mit seiner künftigen fünften Frau Soyeon Kim
Gerd Schröder zeigte sich kürzlich mit seiner künftigen fünften Frau Soyeon Kim

Newspapers in German

Newspapers from Austria