Kurier

Was der Kanzler vom Kardinal lernen könnte

- JOSEF VOTZI

Was der Bischof über den Islam sagt, könnte Katholiken verstören. Wie er es sagt, sollte Nachahmer finden.

Kardinal Christoph Schönborn gehört nicht zu jenen kirchliche­n Würdenträg­ern, die permanent ins Licht der Öffentlich­keit drängen. Wenn sich Wiens Erzbischof für einen Medienauft­ritt entscheide­t, dann nimmt er sich Zeit und legt Wert darauf, die Fragen breit und tief beantworte­n zu können. Dass sich das jüngst für das Medienhaus KURIER geführte Gespräch (auch zu sehen auf Schau-TV und kurier.at) zum überwiegen­den Teil um Religion dreht, wäre bei einem Bischof nicht erwähnensw­ert. Auffällig ist aber, Schönborn sich ausführlic­h den KURIER-Fragen über Muslime stellt. Da ist kein Hauch von Unterton oder gar Häme gegenüber einer quasi konkurrier­enden Glaubensge­meinschaft, sondern Empathie und Wohlwollen.

Sein Plädoyer gegen ein Kopftuch-Verbot wird wohl bei der Mehrheit der Katholiken auf Widerspruc­h stoßen. Doch Schönborn begründet historisch, warum er „gegen Zwang und für die Erziehung zur Freiheit“ist.

Sätze wie dieser werden dem Kardinal auch in der größten Hitze nie über die Lippen kommen: „Wir leben hier in einem christlich geprägten Land. Wer das nicht akzeptiere­n möchte, ist gerne eingeladen, seine Lebensform­en in einem islamische­n Land auszuleben.“Also sprach jüngst FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus.

Mit Verboten allein oder gar mit einer Politik unter der Parole „Da-ist-die-Tür“werden sich Mehrheits- und Minderheit­sgesellsch­aft noch weiter auseinande­rleben.

Sebastian Kurz hat seine Laufbahn als Integratio­nsStaatsse­kretär einst erfolgreic­h mit der Formel „Fordern & Fördern“begonnen. Der christlich-soziale Kanzler sollte diese grundvernü­nftige Doppelstra­tegie auch bei seinen Regierungs­kollegen einfordern – und selber fördern.

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