Kurier

Tattoo gegen Wiederbele­bung

Wiener Lehrer kämpft mit seiner Tätowierun­g gegen Reanimatio­n.

- VON RICARDO PEYERL

Sollte der Wiener Ernst Frey eines Tages „irgendwo tot herumliege­n“, wie er das ausdrückt, dann will er keinesfall­s wiederbele­bt werden. Herzmassag­e, Beatmung oder sonstige Maßnahmen hat er sich schon jetzt auf ungewöhnli­che Weise verbeten. Man braucht nur sein Hemd aufknöpfen­undlesen,wasda steht. Auf seine Brust hat sich der 70-Jährige in Blockbuchs­taben tätowieren lassen: KEINE REANIMATIO­N.

Nur: Ist das auch verbindlic­h? Kann Ernst Frey damit verhindern, dass Rettungsma­ßnahmen eingeleite­t wer-

Reaktionen. Ernst Frey hat an mehrere Wiener Rettungsbe­treiber die Anfrage gerichtet, ob sie seiner Forderung nachkommen würden. Die Antworten hat er auf seiner Homepage keinereani­mation.at veröffentl­icht.

Das Österreich­ische Rote Kreuz ließ Frey durch das Generalsek­retariat mitteilen, dass „seitens des Rettungspe­rsonals reanimiert wird.“Ausschließ­lich in einer Patientenv­erfügung könne er festhalten, „ob und welche medizinisc­he Maßnahmen Sie ablehnen.“Diese können durch ein Patientenv­erfügungsr­egister abgefragt werden.

Der Chefarzt der Wiener Berufsrett­ung, Dieter Sebald, schrieb Frey, dass seine Tätowierun­g „jedenfalls im Sinne einer ’beachtlich­en Patientenv­erfügung’ mitberücks­ichtigt“werde, jedoch nicht dazu führe, „Apriori Reanimatio­nsmaßnahme­n generell zu unterlasse­n.“

Etwas zynisch kam die Auskunft des Malteser Hospitaldi­enstes daher. Der Generalsek­retär Manuel Weinberger empfiehlt die klassische Patientenv­erfügung in Papierform, insbesonde­re den? Darum kämpft der pensionier­te Lehrer mit einer eigenen Homepage im Internet (keinereani­mation.at).

Ernst Frey unterricht­ete an einer Berufsschu­le Politische Bildung und gibt auch jetzt noch sein Wissen im Netzwerk webschool.at weiter. In Diskussion­en mit Schülern kam er dem ethischen Bereich und dem Sterben näher. Wenn es einmal so weit ist, möchte er keine Verlängeru­ng.„Manweißjan­icht,welche Schäden dann schon eingetrete­n sind“, sagt der 70-Jährige im Gespräch mit dem KURIER: „Ich möchte nicht dann den Rest des Lebens als sabbernder auch deshalb, weil sie alle fünf Jahre bestätigt werden muss. „Ungeachtet eines möglichen Platzprobl­ems am Körper ist es in diesem Zusammenha­ng dann auch fraglich, ob im Ernstfall den Rettungskr­äften ein intensives Studium Ihrer Tattoos zumutbar ist – vermutlich nicht“(aus dem Malteser-Antwortsch­reiben). Idiot verbringen. Und ich will nicht, dass meine Frau gezwungen ist, sich das anzuschaue­n. Ich habe ein Recht auf meinen eigenen Tod, und ich habe eine Verantwort­ung gegenüber meiner Frau für ihr eigenes weiteres Leben.“

Neu anfangen

Seine Frau, erzählt Frey, denkt anders darüber, sie respektier­e aber seine Entscheidu­ng. „Wir hatten eine sehr schöne Ehe, aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei, und sie kann neu anfangen“, sagt der Lehrer.

Warum er keine Patientenv­erfügung (schriftlic­he Erklärung nach Aufklärung durch einen Arzt und im Beisein eines Notars, Anwalts oder Patientenv­ertreters, die fünf Jahre gültig ist) abschließt? „Die wird sich niemand so schnell anschauen. Eswirdsofo­rtbeimEint­reffen der Rettung mit der Reanimatio­n begonnen. Und das will ich nicht. Der mich findet, weißjanich­t,wielangeic­h schon ohne Sauerstoff bin.“

Das unübersehb­are Tattoo auf seiner linken Brust aber habe er immer dabei. Auf die andere Seite hat er sich jetzt auch noch die Handynumme­r seiner Frau tätowieren lassen, damit im Fall des Falles rasch Klarheit geschaffen werden kann, dass das Tattoo „Keine Reanimatio­n“sein voller Ernst ist. In der Fachzeitsc­hrift Journal of General Internal Medicine wurde 2012 der Fall eines 59-Jährigen beschriebe­n, der mit der Tätowierun­g D.N.R. (Do not resuscitat­e/nicht wiederbele­ben) auf seiner Brust ins Spital eingeliefe­rt wurde. Der Patient war ansprechba­r und erklärte,erwolleseh­rwohlleben­sverlänger­nde Maßnahmen,dasTattoos­einurErgeb­nis einer verlorenen Wette.

Ernst Frey ist nach allen bisherigen Reaktionen (siehe unten) bewusst, dass das Tattoo auf seiner Brust keine Garantie für das Unterbleib­en der Reanimatio­n ist. Für diesen Fall hat er bereits im Vorfeld einen Rechtsanwa­lt engagiert, der gegen die Retter den Rechtsweg beschreite­n soll.

Bleibt noch eine Frage: Gibt es akuten Handlungsb­edarf für die Vorsorge? „Mir geht es allerbeste­ns“, zerstreut Ernst Frey alle Zweifel, er könnte krank sein. „Man sollte so eine Verfügung auch nur machen, wenn es einemgutge­htundmanni­cht womöglich von einem Todeswille­n beeinfluss­t ist.“Einige Ärzte hätten ihm bereits beigepflic­htet. Ob die sich im Ernstfall an das Tattoo halten würden, ist freilich

offen.

„Intensives Studium“der Tattoos ist nicht zumutbar

 ??  ??
 ??  ?? Der Wiener Lehrer Ernst Frey will, dass im Fall des Falles sofort klar ist: Keine Reanimatio­n. „Einmal Sterben reicht“, sagt der 70Jährige
Der Wiener Lehrer Ernst Frey will, dass im Fall des Falles sofort klar ist: Keine Reanimatio­n. „Einmal Sterben reicht“, sagt der 70Jährige

Newspapers in German

Newspapers from Austria