Erdoğan nützt nationale Welle für vorgezogene Wahl
24. Juni. Präsident will Machtfülle festigen
Das politische Alpha-Tier Recep Tayyip Erdoğan geht wieder einmal in die Offensive und will es wissen: Am Mittwoch setzte er vorgezogene türkische Parlaments- und Präsidentschaftswahlen für den 24. Juni an – gleich um fast eineinhalb Jahre vor dem regulären Termin Ende 2019. Offizielle Begründung des Staatschefs: Die Situation in den Nachbarländern Irak und Syrien sowie die Notwendigkeit wirtschaftlicher Entscheidungen.
In Wahrheit dürfte Erdoğan aber auf die aktuelle Stimmungslage der Nation abzielen. Nach der Eroberung der nordsyrischen Region Afrin, die zuvor von den dortigen Kurden beherrscht wurde, ist in der Türkei die nationalistische Welle wieder deutlich angeschwollen. Auf dieser, so das Kalkül des 64-Jährigen, will er erneut in den Präsidentenpalast surfen.
Dann wäre er endlich am Ziel angelangt und hätte seine Macht auch legal massiv gefestigt. Denn bisher hat der Staatschef de jure relativ wenig echte Kompetenzen, die liegen eigentlich beim Premier. Doch mit der Verfassungsänderung – bei einem Referendum im Vorjahr stimmte eine knappe Mehrheit dafür – liegt künftig (fast) alle Macht beim Staatsoberhaupt, allerdings eben erst nach diesem Urnengang.
Dass Erdoğan bereits jetzt nach Belieben schalten und walten kann, liegt an dem nach wie vor geltenden Ausnahmezustand. Dieser war nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 ausgerufen und dann immer wieder verlängert worden. Seit damals wurden auch Zehntausende angebliche Unterstützer des Coups aus dem Staatsdienst entlassen, Zehntausende (Kritiker der Regierung) landeten im Gefängnis.
Am Mittwoch stimmte das Parlament mit Mehrheit der regierenden AKP einer Ausdehnung der Sonderregelung um weitere drei Monate zu – wogegen sich die (schwache) Opposition ausgesprochen hatte. Der Urnengang wird damit unter den rigiden Bedingungen des Ausnahmezustandes stattfinden.