Hohle Rock-Gesten
Jared Leto zeigte sich in Wienüberheblich und unerheblich.
Was für ein Beginn beim Konzert von Thirty Seconds To Mars in der Wiener Stadthalle: Keine Minute hat Frontmann Jared Leto gesungen – und schon stoppt er den Song und beschimpft sein Publikum mit jenem Ausdruck, den Prince einst nach dem Wort „Sexy“in einen Songtitel gehoben hat. Denn erwill–jetztundsofort–,dass alle hüpfen. Aber wie wär’s, wenn er uns erstmal einen Grund dafür gäbe? Klar, Leto ist ein großartiger Schauspieler, hat einen hochverdienten Oscar daheim. Das allerdings – darauf besteht er ja so stur und bockig – darf nicht der Grund für seine Musik-Erfolge sein. Also wo sind sie dann, die Töne, die Akkordkombinationen, die Textzeilen, die unter die Haut gehen, faszinieren und die geforderte Euphorie auslösen?
Sie werden nicht kommen. Die ganze Show lang nicht. Denn der Beginn ist symptomatisch für das, was Thirty Seconds To Mars machen: Inhaltsbefreite Publikums-Anmache, die in ihrer fast zwei stündigen Penetranz bald langweilt und ermüdet. Und das gilt für fast alle Elemente des Gebotenen.
Zahnlos
Es beginnt beim Sound, der zahnlos zwischen wuchtigem Pop und hymnischem Stadionrock pendelt. Es geht weiter bei den Songs, die durchwegs abgenützte und 100-mal wo anders gehörte Melodiefolgen breittreten. Und es gilt vor allem für die aufdringlichen „Oh oh oh“Refrains, die in keinem Song fehlen,egalobesderfrüheHit „This Is War“ist, oder „Up In The Air“von 2013 oder „Rescue Me“vom vor einer Woche erschienenen Album „America“.
Speziell dessen Texte wären so gern so gescheit, so politisch und sozial engagiert, transportieren aber oft nur heiße Luft. Dazu kommt das Auftreten von Leto, der – mit Jesus-Frisur und salbungsvollen Gesten – anfangs sehr arrogant rüberkommt. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass nur er und sein Bruder Shannon auf der Bühne stehen.
Gitarrist Tomislav „Tomo“Milicevic kann aus persönlichen Gründen zur Zeit nicht dabei sein. Aber die Begleit-Musiker sind in einen Graben hinter der Bühne verbannt, dass viele sie gar nicht sehen. Immer wieder holt sich Leto Fans aus dem Publikum auf die Bühne, spricht mit ihnen, lässt sie tanzen und Isabella aus Amstetten von ihrem Verlobten erzählen. Später wirkt er dabei weniger überheblich, weniger wie der Schauspieler, der weiß, wie man mit Massen arbeitet, und mehr wie ein Musiker, der sein Publikum wirklich mag. Und seine Stimme? Die ist schön, hat aber kein Flair, keinen Charakter. Das wird deutlich, als er „Stay“von Rihanna anstimmt. Dieser beste Song des Abends wird bei ihm zu einer bemerkenswerten Melodie. Die Verletzlichkeit und Sehnsucht, die die Pop-Diva hineingelegt hat, ist futsch.
Tolle Show
Es gibt auch Positives. Allen voran die Spielfreude und das Können von Shannon an seinen Drums. Auch die Show ist beeindruckend. Anfangs ist anstelle der Bühne ein schwarzer Quader zu sehen. Er ist aus LED Wänden, die sich dann heben und neigen, aber fast immer nur einfärbig leuchten und so als großflächige Scheinwerfer fungieren. Das gibt tolle Effekte.
Das Beste an dem Konzert: 14.500 Fans in der fast ausverkauften Halle haben eine ausgelassene Auszeit vom Alltag, zwei freudig verbrachte Stunden. Vielleicht ist das in Zeiten wie diesen wichtiger denn je. Es bleibt aber die Frage, ob Thirty Seconds To Mars mit ihrer belanglosen musikalischen Substanz so weit gekommen wären, wenn Leto kein Hollywoods-Star wäre. Die Chancen, dass er ohne den berühmten Namen nie einen Plattenvertrag bekommen hätte, sind hoch. KURIER-Wertung: