Kurier

Allergien liegen in den Genen

Ob jemand allergisch reagiert, liegt stärker in den Genen, als bisher vermutet wurde.

- VON INGRID TEUFL (TEXT) UND CHRISTA SCHIMPER (GRAFIK)

Für die Entstehung einer Allergie ist ein fataler Mix aus genetische­r Veranlagun­g, Umwelteinf­lüssen und Lebensumst­änden verantwort­lich. Aber was ist entscheide­nder?Waseinemdi­eEltern mitgeben oder doch Einflüsse von außen? Eine neue Studie rückt die genetische Komponente nun stärker in den Fokus. Wiener Forscher konnten zeigen, dass das Auftreten eines speziellen Gens die Grundvorau­ssetzung dafür ist, dass das Immunsyste­m gegen an sich harmlose Allergene ankämpft. Damit könnten Allergien schon viel früher als bisher erkannt werden und entspreche­nde Risikoprof­ile in der Prävention genutzt werden.

Dass Gene eine wichtige Rolle in der Entstehung von Allergien spielen, ist schon länger bekannt. Vor gut 100 Jahren wurde beobachtet, dass das Risiko steigt, wenn bereits Vater oder Mutter Allergiker sind. Mittlerwei­le weiß man auch, dass bestimmte Gene wahrschein­lich sogar die Bereitscha­ft beeinfluss­en, eine Allergie zu entwickeln.

Noch komplizier­ter wird die Materie, wenn man bedenkt: Beteiligt sind viele Gene oder auch Genvariant­en. Kein Wunder, dass Forscher mit Hochdruck daran arbeiten, Licht in das komplexe Geschehen zu bringen.

„Wir wissen nun, wie eine Allergie auf molekulare­m Weg entsteht“, sagt Studienaut­or Winfried F. Pickl, Immunologe an der MedUni Wien. Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Erkenntnis­se ist ein Gen namens HLA-DR1, das im Immunsyste­m eine wichtige Rolle spielt, und seine Interaktio­n mit T-Zellen des Immunsyste­ms. „HLA-DR1 ist ein primärer Faktor für eine Sensibilis­ierung mit einem Allergen“, erklärt er. Das Vorhandens­ein dieses Gens sieht der Immunologe als „eine Grundvorau­ssetzung, damit man überhaupt eine Allergie bekommt“.

Immunsyste­m ist aktiv

Antreiber dafür sind die TLymphozyt­en, kurz T-Zellen des Immunsyste­ms. Sie organisier­en die Abwehr von Krankheits­erregern und schicken Botschafte­n an Fresszelle­n und andere, die an der Immunabweh­r beteiligt sind. Im Fall einer Allergie heißt das: „Sie treiben diese an. Wenn jemandviel­edieserZel­lenhat und zusätzlich HLA-DR1 vorhanden ist, wird man sehr stark und schnell reagieren.“

Dieses komplexe Zusammensp­iel von Genetik und Immunsyste­m konnte Pickls Team bei Labormäuse­n zeigen. Die Forscher setzten sogenannte humanisier­te Mäuse ein – die Tiere tragen einen menschlich­en T-ZellRezept­or. „Damit konnten wir erstmals die Situation am Menschen widerspieg­eln.“Dazu wurden die Versuchsti­ere auf natürliche Art in einer Pollenkamm­er Beifußpoll­en ausgesetzt, die sie einatmeten. Die Unterschie­de traten deutlich zutage: Bei Mäusen mit HLA-DR1Gen und vielen T-Zellen „kam es zum explosions­artigen Ausbruch von Asthma“.

Ebenso wurde das krankheits­spezifisch­e Immunglobi­n E (IgE) ausgeschüt­tet, das bei allergisch­en Reaktionen bedeutend ist. Die Mäuse ohne das HLA-DR1-Gen „haben gar nicht reagiert“. Das heiße gleichzeit­ig: „Ohne dieses Gen ist man auch nicht auf einen Stoff sensibilis­ierbar.“

Das Fehlen des Gens und der Vorläufer-T-Zellen ist aber keine Garantie, gar keine Allergie zu bekommen. „Die Sensibilis­ierung passiert zwar nicht gleich beim ersten Kontakt, sondern es dauert länger, bis eine Reaktion entsteht.“Das würde auch erklären, warum bei manchen Menschen Symptome nicht bereits in der Kindheit, sondern erst später im Leben auftreten.

Die Studienerg­ebnisse (publiziert im Fachjourna­l EBioMedici­ne) könnten vor allem für die Bestimmung des persönlich­en Allergieri­sikos eines Menschen hilfreich sein. „Etwa in Familien mit einer hohen Allergiebe­lastung könnten dieses oder andere Gene mit hohem Risiko frühzeitig identifizi­ert werden.“Dann könnte bereits präventiv eine Art Schutzimpf­ung für Risikogrup­pen entwickelt werden.

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