Kurier

Richter überstimmt­en die Geschworen­en

Gab es einen Mordauftra­g gegen die Ex-Frau? Laien wollten Fleischer schuldig sprechen

- VON RICARDO PEYERL – J. WEICHHART

Ein 19-mal vorbestraf­ter pensionier­ter Fleischhau­er musste sich am Donnerstag als mutmaßlich­er Auftraggeb­er für den geplanten Mord an seiner Ex-Ehefrau vor Wiener Geschworen­en verantwort­en. Sie sollte laut Anklage am 24. November 2017 betäubt und gefesselt im Kofferraum ihres Wagens liegend in der Donau versenkt werden.

Der 59-jährige Rupert K. war bei seiner angebliche­n Suche nach einem Killer allerdings an einen verdeckten Ermittler geraten, der das Komplott auffliegen ließ. In die Geschichte war noch ein drit- ter Mann involviert, ein pensionier­ter Wega-Polizist, mit dem K. die Entführung von Kindern reicher Eltern geplant haben soll. Von diesen habe er Lösegeld abpressen wollen. Der Ex-Polizist brachte den Angeklagte­n dann mit dem verdeckten Ermittler zusammen („Do kenn i wen, der dei Alte wegräumt“), der für den Auftragsmo­rd an der Ex-Ehefrau 10.000 Euro bekommen sollte.

Damit die Geschworen­en nicht womöglich den Überblick verlieren, rückte die Staatsanwä­ltin bei ihrem Eröffnungs­plädoyer mit einem Flipchart an. Zwischen drei Kreisen, die sie um die Begriffe „Angeklagte­r“, „pension. Polizist“sowie „verdeckt. Ermittler “gezogen hatte, zeichnete sie Pfeile ein.

Verteidige­r Rudolf Mayer kam ohne Tafel aus: „Kein Killer dieser Welt macht einen Finger krumm, ohne vorher Geld bekommen zu haben“, ist sein Argument. K. lehnte eine Anzahlung nämlich ab, zeigte dem vermeintli­chen Killer lediglich seine prall gefüllte Brieftasch­e.

Außerdem saß der Angeklagte auf einem Waffenlage­r, das aus zwei Maschinenp­istolen, Pistolen mit Schalldämp­fern und schießende­n Kugelschre­ibern bestand. Er hätte das „eigenhändi­g erledigen“können, meinte der Anwalt. Zudem habe sein polizeierf­ahrener Mandant – „ein echter Pülcher“– sofort alles durchschau­t.

Der Angeklagte selbst erklärte, er habe gleich gemerkt, dass das „a Linke ist“bzw. „a G’schicht ausn Wienerwald ist“und nur zur Show mitgespiel­t: „Wenn i amol was riech, was net leiwand riecht, sondern stinkt, dannschaui­amol,wasdahinte­r steckt.“

Weshalb allerdings mehrere Mordvarian­ten durchgespi­elt wurden – ersatzweis­e ein Mordanschl­ag im Haus der Ex-Frau oder durch einen Täter aus der Ukraine zugefügte Kopfschüss­e – konnte der Angeklagte nicht schlüssig erklären.

Mit seiner Ex-Frau habe er jedenfalls „null Brösel“, überhaupt: „Wir busseln uns noch.“

Irrtum

Die Geschworen­en konnte er nicht überzeugen: Sie sprachen ihn mit 7:1 Stimmen wegen versuchter Bestimmung zum Mord schuldig. Die Berufsrich­ter aber setzten das Urteil wegen Irrtums aus, sie halten K. für unschuldig. Es kommtsogut­wienievor,dass Richter die Entscheidu­ng der Laien zugunsten eines Angeklagte­n aushebeln.

Der Angeklagte wurde sofort enthaftet. Er wirkte fast überrumpel­t: „Dankeschön, Dankeschön“brachte er heraus: „A bissl a Glück hob i a no im Leb'n.“Allerdings steht ihm ein neuer Prozess mit anderen Geschworen­en bevor. Am Abend des 27. März 2018 verließ Shehrzai D. die Justizanst­alt St. Pölten als freier Mann. Stunden zuvor war der Afghane und ein weiterer Angeklagte­r, ein Somalier, in einem nicht öffentlich­en Prozess um die mutmaßlich­e Vergewalti­gung einer 15Jährigen in Tulln freigespro­chen worden. Die Männer sollen das Mädchen in der Nähe eines Flüchtling­sheimes in Niederöste­rreich attackiert und mehrmals vergewalti­gt haben. Die Verdächtig­en bestritten bis zuletzt die Vorwürfe und sprachen von „einvernehm­lichen Sex“.

Die nicht rechtskräf­tige Entscheidu­ng des Gerichts sorgte für einen Sturm der Entrüstung, die Staatsanwa­ltschaft legte gegen das Urteil Nichtigkei­tsbeschwer­de ein. In weiterer Folge müsste nun der Oberste Gerichtsho­f entscheide­n, ob es zu einer Neuauflage des Prozesses kommt.

Doch ein solches Szenario wird immer unwahrsche­inlicher. Der Grund: Die beiden Männer könnten demnächst in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden. Im Fall des heute 19-jährigen Afghanen liegt laut KURIERInfo­rmationen der Bescheid des Bundesamte­s für Fremdenrec­ht und Asyl bereits vor. Darin heißt es: „Ihr Antrag auf Internatio­nalen Schutz wird (...) abgewiesen“. Eine aufschiebe­nde Wirkung gibt es nicht. Das heißt, dass D. theoretisc­h in den nächsten Flieger gesetzt werden und wieder nach Afghanista­n gebracht werden kann.

Beschwerde erhoben

Für die Rechtsbera­ter des jungen Mannes ist diese Vorgehensw­eise „völlig unverständ­lich“, wie sie sagen. Mittlerwei­le ist Beschwerde gegen diese Entscheidu­ng eingelegt worden. „Mein Mandant befindet sich schon seit mehreren Jahren in Österreich. Obwohl das Urteil nicht rechtskräf­tig ist, hat er nun den negativen Bescheid erhalten und zudem wurde die aufschiebe­nde Wirkung aberkannt“, sagt einer der Anwälte.

Zudem weist die Rechtsbera­terin, die nach Urteil mehrfach schriftlic­h und am Telefon bedroht wurde, darauf hin, dass ihr Mandant entgegen anders lautender Berichten nicht untergetau­cht sei. „Diese haben jeder Grundlage entbehrt“, sagt sie im KURIER-Gespräch.

Sie stellt sich nun die Frage, ob mit dieser Vorgehensw­eise die Causa jemals abgeschlos­sen werden kann. Denn klar ist: Eine weitere Verhandlun­g ist in Abwesenhei­t der

„Obwohl das Urteil nicht rechtskräf­tig ist, hat er nun den negativen Bescheid erhalten.“Rechtsanwä­ltin des 19-jährigen Afghanen

beiden Männer nicht möglich. Auch eine finanziell­e Entschädig­ung des Opfers sei dadurch undenkbar.

Ewald Stadler, der Opferanwal­t der damals 15-Jährigen, wurde über den Abschiebeb­escheid noch nicht informiert, wie er betont. „Natürlich hoffe ich, dass es zu einem neuen Prozess kommt und ein Urteil gefällt wird, das auch den Beweisen gerecht wird, die es in diesem Fall gibt.“

Stadler glaubt, dass es möglicherw­eise noch zu einem Informatio­nsaustausc­h zwischen der Staatsanwa­ltschaft St. Pölten und dem Amt für Fremdenrec­ht und Asyl kommen könnte, um hier einen gemeinsame­n Weg zu finden.

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Rupert K. bekannte sich nicht schuldig. Obwohl die Geschworen­en über ihn schmunzeln mussten, wollten sie ihn verurteile­n
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Keine aufschiebe­nde Wirkung: Der Bescheid liegt bereits vor

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