Kurier

Greißler gegen die Großen

Rückschläg­e. Woran die neuen urbanen Nahversorg­er scheitern und wo kleine Märkte boomen

- VON JÜRGEN ZAHRL UND STEFANIE RACHBAUER

Nach und nach kehrten sie in den vergangene­n Jahren zurück: Urbane Nahversorg­er, die in Gassenloka­len ihre Produkte feilbieten. Hinter diesen Gegenentwü­rfen zum Supermarkt stehen oft Quereinste­iger, die das Konzept des traditione­llen Greißlers weiterspin­nen und sich so einen lang gehegten Traum verwirklic­hten – der mancherort­s inzwischen geplatzt ist.

Das jüngste Beispiel ist Gert Zechner. Ende Februar sperrte der studierte Manager nach gut einem Jahr Betrieb seinen Laden „Fisch und Greissler“in Wien-Margareten zu. Zechner hatte dort etwa Fisch, Gemüse, Marmeladen und Wein verkauft. Die Fixkosten konnte er decken, ein Gehalt für sich selbst war aber nicht drin. „Es war eine Liebhabere­i“sagt Zechner. Sich neben den Supermärkt­en zu behaupten, sei schwierig. „Der Kunde will Auswahl, Qualität und nicht zu viel bezahlen.“Das könne ein kleiner Laden oft nicht bieten. Hinzu kommt, dass Ketten bessere Einkaufspr­eise bekommen, weil sie größere Mengen abnehmen. Klein strukturie­rter Lebensmitt­elhandel kann dennoch funktionie­ren, glaubt Zechner. Aber: „Sich als Greißler Mitarbeite­r leisten zu können, ist eine Illusion.“Wer das anstrebe, müs- se zusätzlich­e Einnahmen erzielen – etwa über ein Bistro.

Diesen Weg ging Michael Schuster mit der „Markt Wirtschaft“– einer Kombinatio­n aus Markthalle und Lokal – in Wien-Neubau. „ Meistens stört es die Leute erst, wenn der Greißler weg ist“, sagt Schuster. Komplizier­te behördlich­e Auflagen und die Suche nach gutem Personal bewegte den Start-up-Financier vergangene­n Sommer, das Projekt zu verkaufen. Zwei Typen von Greißerln können überleben, glaubt er: High-End-Läden mit FeinkostPr­odukten und kleine, inhabergef­ührte Betriebe. Letztere würden aber nur durch „Selbstausb­eutung“laufen.

Verpackung­sfrei

Um sich diese zu ersparen, legte Franz Seher seinen verpackung­sfreien Markt „Holis“in Linz von Beginn an größer an. Sein Ziel war es, mit Franchise-Nehmern zu wachsen. Bloß: So weit kam er nicht. Im Sommer 2016 meldete er – nach knapp einem Jahr Betrieb – Konkurs an. Da die einzelnen Produkte relativ günstig sind, laufe im Lebensmitt­elhandel vieles über Volumen, erzählt Seher. Dazu komme das dichte Versorgung­snetz: „Es ist schwierig, Marktantei­le abzugreife­n.“

Dass es Konzepte gibt, die vor allem auf dem Land den Greißler retten können, haben Verantwort­liche in Bärnkopf im Waldvierte­l gezeigt. Nachdem sich keiner fand, der das einzige Lebensmitt­elgeschäft übernehmen wollte, nahm sich ein Verein dieser Aufgabe an.

Solche Projekte sorgen in NÖ derzeit für eine „Renaissanc­e der Greißler“. „Insgesamt 100 Projekte sind initiiertw­orden,beidenendi­eGemeinden einen finanziell­en Beitrag leisten oder Geschäftsf­lächen zur Verfügung stellen“, sagt Karl Ungersbäck, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaft­skammer NÖ. Finanziell­e Anreize liefert zusätzlich die Niederöste­rreichisch­e Arbeitsgem­einschaft zur Förderung der Ortszentre­n (NAFES). Sperrten zwischen 1970 und 2000 rund zwei Drittel der Lebensmitt­eleinzelhä­ndler zu, ist die Zahl seit 2000 ungefähr gleich geblieben. Rund 1200 Märkte gibt es aktuell.

 ??  ?? Gert Zechners Laden „Fisch & Greissler“in Wien ist Geschichte. Trotz seines Scheiterns glaubt er, dass kleine Lebensmitt­elgeschäft­e funktionie­ren können
Gert Zechners Laden „Fisch & Greissler“in Wien ist Geschichte. Trotz seines Scheiterns glaubt er, dass kleine Lebensmitt­elgeschäft­e funktionie­ren können
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Verein organisier­t Personal und betreibt „Unser G’schäft in Bärnkopf“

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