„In Europa ging viel schief“
Diskussion. Wie soll Europa mit Tech-Konzernen umgehen? Regulierung wird gefürchtet
Google, Facebook und Co. bläst derzeit ein eisiger Wind entgegen. Nach mehr als einem Jahrzehnt an ungebremstem Wachstum werden die Rufe nach Regulierung der Technologie-Riesen immer lauter. Beschleunigt wurde das unter anderem durch den Skandal um Cambridge Analytica, das die Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern abgegriffen hat. In den USA werden strengere Regeln aktuell intensiv diskutiert. Doch wie soll Europa darauf reagieren?
Fragt man die Medienkonzerne, fällt die Antwort deutlich aus: „Diese Medien haben ein Monopol darauf, was wir zu sehen bekommen, wir müssen darüber diskutieren“, sagt Conrad Albert, CEO von ProSiebenSat.1, auf dem Digital-Festival 4Gamechangers. Man gehe mit „Fußfesseln an den Start eines 100-Meter-Ren- nens“und müsse zusehen, wie Facebook und Google das Kerngeschäft, die Werbung, dominieren. Das hat unter anderem Antonio Garcia Martinez ermöglicht, der 2011 als Produktmanager das Werbegeschäft von Facebook aufbaute. „Wir haben damals festgestellt, dass die meisten Daten der Nutzer nichts wert sind“, erklärt Martinez. Die Herausforderung sei gewesen, die richtigen Daten zu finden, damit die passende Werbung angezeigt wird. Mittlerweile ist Martinez einer der schärfsten Kritiker seines früheren Arbeitgebers und bezeichnete die Plattform als „legales Crack“. Auch er wünscht sich, dass Facebook bei der Auswahl von Inhalten stärker zur Verantwortung gezogen wird: „Ich bin mir nicht sicher, ob ihr Mark Zuckerberg als Chefredakteur der Weltmedien haben wollt.“
EU-Google unmöglich
Regulierung könne aber auch nicht das Allheilmittel sein, insbesondere wenn man zum Silicon Valley aufschließen wolle. „Europa ist weit zurück, da ging viel schief“, sagt der frühere ORF- und RTL-Chef Gerhard Zeiler. An Kapital mangle es zwar nicht, aber an der Innovationskultur. „Die Idee von einem europäischen Google oder Facebook ist Fantasie. Ich würde mein Geld da nicht hineinstecken“, sagt Zeiler. Wettbewerbsfähig könne man nur dann sein, wenn Europa zusammenarbeitet. „Solange es einen negativen Steuerwettbewerb gibt, wird das nicht gelingen.“
Ausnahmen gefordert
Investor Plamen Russev warnt davor, das Problem zu lösen, indem man das SiliconValleykopiert.„Wennwir das Silicon Valley kopieren wollen, dauert das 20 bis 30 Jahre. So viel Zeit haben wir nicht. Bis dahin ist Europa ein Kontinent der Dritten Welt.“Stattdessen sollen Staaten ihre regionalen Stärken nutzen. Als Beispiel nennt er die Schweiz, die Ausnahmeregelungen für Startups schafft, die an Digitalwährungen arbeiten. Auch Gernot Blümel (ÖVP), Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien, wünscht sich dieses Modell in Österreich, beispielsweise für Blockchain-Start-ups. Die Blockchain, eine dezentrale Datenbank-Technologie, wird derzeit in vielen Branchen erprobt, unter anderem im Energie- und Finanzsektor.
Daten teilen
Das allein reiche aber nicht aus, solange US-Konzerne ein Monopol auf Daten haben. Zeiler hat aber eine Idee: „Wir hatten eine ähnliche Situation bei den Telekom-Konzernen, von denen es in vielen Ländern nur einen gab. Bei der Öffnung mussten diese ihre Infrastruktur auch neuen Unternehmen zu fairen Preisen zur Verfügung stellen. Das könnte Facebook auch machen.“