Kurier

„In Europa ging viel schief“

Diskussion. Wie soll Europa mit Tech-Konzernen umgehen? Regulierun­g wird gefürchtet

- VON MICHAEL LEITNER

Google, Facebook und Co. bläst derzeit ein eisiger Wind entgegen. Nach mehr als einem Jahrzehnt an ungebremst­em Wachstum werden die Rufe nach Regulierun­g der Technologi­e-Riesen immer lauter. Beschleuni­gt wurde das unter anderem durch den Skandal um Cambridge Analytica, das die Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern abgegriffe­n hat. In den USA werden strengere Regeln aktuell intensiv diskutiert. Doch wie soll Europa darauf reagieren?

Fragt man die Medienkonz­erne, fällt die Antwort deutlich aus: „Diese Medien haben ein Monopol darauf, was wir zu sehen bekommen, wir müssen darüber diskutiere­n“, sagt Conrad Albert, CEO von ProSiebenS­at.1, auf dem Digital-Festival 4Gamechang­ers. Man gehe mit „Fußfesseln an den Start eines 100-Meter-Ren- nens“und müsse zusehen, wie Facebook und Google das Kerngeschä­ft, die Werbung, dominieren. Das hat unter anderem Antonio Garcia Martinez ermöglicht, der 2011 als Produktman­ager das Werbegesch­äft von Facebook aufbaute. „Wir haben damals festgestel­lt, dass die meisten Daten der Nutzer nichts wert sind“, erklärt Martinez. Die Herausford­erung sei gewesen, die richtigen Daten zu finden, damit die passende Werbung angezeigt wird. Mittlerwei­le ist Martinez einer der schärfsten Kritiker seines früheren Arbeitgebe­rs und bezeichnet­e die Plattform als „legales Crack“. Auch er wünscht sich, dass Facebook bei der Auswahl von Inhalten stärker zur Verantwort­ung gezogen wird: „Ich bin mir nicht sicher, ob ihr Mark Zuckerberg als Chefredakt­eur der Weltmedien haben wollt.“

EU-Google unmöglich

Regulierun­g könne aber auch nicht das Allheilmit­tel sein, insbesonde­re wenn man zum Silicon Valley aufschließ­en wolle. „Europa ist weit zurück, da ging viel schief“, sagt der frühere ORF- und RTL-Chef Gerhard Zeiler. An Kapital mangle es zwar nicht, aber an der Innovation­skultur. „Die Idee von einem europäisch­en Google oder Facebook ist Fantasie. Ich würde mein Geld da nicht hineinstec­ken“, sagt Zeiler. Wettbewerb­sfähig könne man nur dann sein, wenn Europa zusammenar­beitet. „Solange es einen negativen Steuerwett­bewerb gibt, wird das nicht gelingen.“

Ausnahmen gefordert

Investor Plamen Russev warnt davor, das Problem zu lösen, indem man das SiliconVal­leykopiert.„Wennwir das Silicon Valley kopieren wollen, dauert das 20 bis 30 Jahre. So viel Zeit haben wir nicht. Bis dahin ist Europa ein Kontinent der Dritten Welt.“Stattdesse­n sollen Staaten ihre regionalen Stärken nutzen. Als Beispiel nennt er die Schweiz, die Ausnahmere­gelungen für Startups schafft, die an Digitalwäh­rungen arbeiten. Auch Gernot Blümel (ÖVP), Bundesmini­ster für EU, Kunst, Kultur und Medien, wünscht sich dieses Modell in Österreich, beispielsw­eise für Blockchain-Start-ups. Die Blockchain, eine dezentrale Datenbank-Technologi­e, wird derzeit in vielen Branchen erprobt, unter anderem im Energie- und Finanzsekt­or.

Daten teilen

Das allein reiche aber nicht aus, solange US-Konzerne ein Monopol auf Daten haben. Zeiler hat aber eine Idee: „Wir hatten eine ähnliche Situation bei den Telekom-Konzernen, von denen es in vielen Ländern nur einen gab. Bei der Öffnung mussten diese ihre Infrastruk­tur auch neuen Unternehme­n zu fairen Preisen zur Verfügung stellen. Das könnte Facebook auch machen.“

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Auf dem Digital-Festival 4Gamechang­ers in der Marxhalle diskutiert­en mehrere ehemalige Facebook-Manager über die Probleme der Plattform
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Mark Zuckerberg wurde bereits vom US-Kongress befragt

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