Kurier

„Junge Wilde“wollen bei maroden Grünen jetzt den Ton angeben

Grüne Zukunft. Die Ökos suchen Personal und Themen. Doch vielen, die jünger sind als die Partei, geht das zu langsam.

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND RAFFAELA LINDORFER KURIER.at/Pammesberg­er

In Salzburg steht heute die vierte und letzte Landtagswa­hl des Jahres für die Grünen an, bei der es gilt, die Verluste so gering wie möglich zu halten. In Innsbruck gab es zwei Tage vor der Gemeindera­tswahl noch einen Eklat: Die Vizebürger­meisterin trat überrasche­nd aus der Partei aus.

Die Grünen hatten durchaus schon bessere Tage, und sind fest entschloss­en, diese wieder auf leben zu lassen: Interims-Parteichef Werner Kogler ist unermüdlic­h auf Zuhör-Tour – ohne Remmidemmi, meist unbeachtet von der Öffentlich­keit – und lässt sich von den Österreich­ern mitunter die Leviten lesen.

„Die Grünen waren offenbar nur mit sich selbst beschäftig­t“, sagt der Mann, der Kogler und Neubaus Bezirksvor­steher Markus Reiter jüngst an einem warmen April-Abend die Tür geöffnet hat. Er heißt Karl, ist Kulturmana­ger und hat tatsächlic­h einmal grün gewählt. Nicht bei dieser Nationalra­tswahl. Warum, das erklärt er Kogler und Parteikoll­egen Reiter jetzt in klaren Sätzen: Ihr streitet intern zu viel, ihr seid eine Verbotspar­tei. Wie oft hat Interimsbo­ss Kogler das wohl schon gehört?

Zu viel 1980er-Mief

Damit für die Grünen, die im Oktober nach 31 Jahren aus dem Nationalra­t geflogen sind, ein Comeback bei der nächsten Bundeswahl 2022 auch nur ansatzweis­e realistisc­h ist, braucht es neue Impulse. Am 5. Mai lädt die ÖkoBewegun­g in Linz zu einem Nachdenk-Treffen („Zukunft gestalten“) und diskutiert in Workshops über Demokratie, Ökologie und Wirtschaft. Doch sechs Monate nach dem fatalen Wahlsonnta­g geht vielen vieles zu langsam, noch immer sei zu viel 1980 er-Mief drinnen, heißt es da. Das grüne Grundsatzp­rogramm stammt aus dem Jahr 2002, immerhin.

Im Vorfeld formiert sich nun eine Gruppe junger Landtagsab­geordneter, die in Linz ein „Next Generation Lab“bilden. Das sind etwa Stefan Kaineder aus Oberösterr­eich, Nina Tomaselli aus Vorarlberg und Peter Kraus, Zukunftsho­ffnung für Wien. „Sie bilden eine junge, starke Achse von West nach Ost, die jetzt Ideen entwickeln soll, wie wir die Parteistru­kturen ins 21. Jahrhunder­t bringen“, sagt der Grüne Bundesrat David Stögmüller – mit 31 Jahren zu jung, um so etwas wie die Besetzung der Hainburger Au miterlebt zu haben.

Neue Gesichter

Hört man sich bei den „jungen Wilden“um, bekommt man sinngemäß Folgendes zu hören: Wir haben die Gründer jahre mit all den Streiterei­en nicht miterlebt, und wir distanzier­en uns von den Unruhestif­tern rund um Flora Petrik (siehe oben rechts). Wir leisten jetzt in den Ländern gute Arbeit. Also gebt uns beim Wiederaufb­au die entspreche­nde Verantwort­ung.

Noch spricht niemand laut von einem Aufstand, Gott bewahre. „Das wäre nicht der richtige Weg“, sagt etwa der 33-jährige Kaineder – es gehe ums Mitgestalt­en, Mitbestimm­en, nicht um Druck.

Von einer Revolution will auch der Wiener Gemeindera­t Kraus nichts wissen: „Wir entwickeln ein Angebot, das sich an alle richtet, die jünger sind als die Partei.“Beim Bundeskong­ress, der am 17. November stattfinde­n wird, wollen die Jungen etwas „Herzeigbar­es“präsentier­en, dann werden auch personell die Weichen für die Zukunft gestellt.

Im Zuge des Neustarts braucht es neue Gesichter. Ein Faktum, das sich in der wichtigste­n Landesgrup­pe, Wiens Grünen, noch nicht breit herumgespr­ochen hat, wie es heißt. Wohl auch deshalb gibt es hochrangig­e Funktionär­e, die auch eine Neugründun­g der Partei nicht ausschließ­en wollen.

Ein heißes Eisen ist die mögliche Ablöse von Vize bürgermeis­terin MariaVassi­lakou, um die Chancen beider Wien-Wahl 2020 zu verbessern. Derzeit soll es mindestens vier Interessen­ten für die Pole position geben–der junge Kraus wird oft genannt. Einen parteiinte­rnen Streit will man tunlichst vermeiden. Noch so einen würden die Grünen wohl nicht überleben.

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„Bag to the future“: Was am desaströse­n Wahlabend da auf einem Turnsacker­l propagiert wurde, will die junge Riege jetzt angehen
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Neubaus Bezirksvor­steher Reiter mit Grünen-Chef Kogler auf „Zuhör-Tour“, hier in der Küche des kritischen Herrn Karl

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