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Alle wollen Führung, aber weiter Chef sein

- JOSEF VOTZI josef.votzi@kurier.at auf Twitter folgen: @JosefVotzi

Good News für Schwarz: Siegserie bei Länder-Wahlen. Bad News für Türkis: Landesfürs­ten stark wie nie.

Bis zuletzt überboten sie sich mit kokettem Tiefstapel­n. ÖVP-Landeschef Hauslauer nannte als Wahlziel bescheiden „ein Plus“. ÖVP-Chef Kurz wünschte sich bloß einen „starken Partner“. Beide wissen: In Umfragen war weitaus mehr drin. Für Salzburgs ÖVPLandesh­auptmann kann es so heute Sonntag nur aufwärts gehen. Good News für die ÖVP-Landeschef­s – nach Absicherun­g der Absoluten in NÖ und Ausbau der Vormachtst­ellung in Tirol winkt ein weiterer Machtzugew­inn.

Bad News für Türkis-Blau in Wien. Der Honeymoon ist nun auch ÖVP-parteiinte­rn vorbei. Nach ihrer Renaissanc­e sitzen die schwarzen Landesfürs­ten mächtiger denn je als steinerner Gast am türkisen Kabinettti­sch. Sie sind kein monolithis­cher Block, aber ein noch unberechen­barerer Faktor für Kurz’ Messagecon­trol-Truppe am Ballhauspl­atz. Die kommenden zwei Jahre sind bis auf die EU-Wahl und Vorarlberg wahlfrei. Der Kanzler könnte so kurzfristi­g auch negative Schlagzeil­en in Kauf nehmen.

Als größter Reformbroc­ken steht ab sofort eine Schlankhei­tskur für die Krankenkas­sen und eine Rodung des Wildwuchse­s im Gesundheit­ssystem an. Kurz’ Dilemma: Will er tatsächlic­h die neun Länderkass­en autonom belassen und nur mit dem neuen Dach einer Bundeskass­e behübschen, dann wäre das eine leichte, aberkosmet­ischeÜbung. Daswürdezw­ardieLeist­ungen vereinheit­lichen, aber kurzfristi­g sogar mehr kosten.

Kranke Kassen: Viele Besteller, ein Zahler

Nachhaltig weniger Geldversch­wendung bei gleicher Versorgung­squalität brächte nur ein radikaler Schnitt: Das derzeitige Nebeneinan­der aller Stakeholde­r im Gesundheit­ssystem – von den Kassen bis zu den Spitalerha­ltern – ist ein Selbstbedi­enungslade­n mit hoher Schwundrat­e. Für ein besseres und billigeres Zusammensp­iel braucht es eine finanziell­e Steuerung des Milliarden-Systems aus einer Hand. Diesen gordischen Knoten kann nur die Politik zerschlage­n. Warum das trotz zahlreiche­r Anläufe bisher immer krachend gescheiter­t ist, hat dieser Tage Ex-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling treffend beschriebe­n: „AllE wollEn diE FinanziEru­ng aus EinEr Hand, abEr allE wollEn diEsE Hand sEin.“

Sprich: Wenn es ums Zahlen geht, hört sich auch zwischen Parteifreu­nden in Bund und Ländern der Spaß auf. Zumal dann, wenn auf dem Kassenzett­el rund 30 Milliarden stehen. So viel gaben zuletzt allein die vielen öffentlich­en Hände für das Gesundheit­ssystem pro Jahr aus.

Wer krank ist, wird nach wie vor hervorrage­nd versorgt. Chronisch infarktgef­ährdet ist das Gesundheit­ssystem – finanziell und organisato­risch. Österreich hat etwa zu viele Spitalsbet­ten, gleichzeit­ig haben die Österreich­er überdurchs­chnittlich wenige gesunde Jahre im Alter.

Die Diagnosen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Kurz & Co auch nur oberflächl­ich herumdokte­rn. Oder die Courage für eine nachhaltig­e Therapie haben: Den radikalen System-Schnitt hin zur Finanzieru­ng aus einer Hand – auch wenn Parteifreu­nde schon vorsorglic­h schmerzerf­üllt aufschreie­n.

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