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Und wieder eine geschieden­e Amerikaner­in

In vier Wochen ist es so weit. Prinz Harry heiratet unter großem Jubel eine geschieden­e Amerikaner­in. Einst wurde in Großbritan­nien aus dem selben Grund ein König gestürzt. Der Unterschie­d.

- Georg.markus@kurier.at

Als König Edward VIII. im Jahr 1936 die geschieden­e Amerikaner­in Wallis Simpson heiraten wollte, musste er zurücktret­en. Wenn Prinz Harry 2018 ebenfalls eine geschieden­e Amerikaner­in heiratet, wird er in Großbritan­nien und im Rest der Welt gefeiert. Ein und dasselbe „Delikt“, aber zwei völlig konträre Auswirkung­en. Was, bitte sehr, ist der Unterschie­d?

Aus Krisen gelernt

1) Die Zeit, in der König Edward, der spätere Herzog von Windsor, lebte, ist mit der heutigen nicht vergleichb­ar. Das Königreich war damals und auch lange danach noch einverzopf­terVerein,dersich vor allem in den 65 Jahren, seit Queen Elizabeth regiert, grundlegen­d geändert hat. Die Windsors haben aus Krisen und Tragödien gelernt und zählen heute zu den Marktführe­rn im weltweiten Königs-Business, das der britischen Volkswirts­chaft allein durch den royalen Tourismus jährlich 500 Millionen Pfund (570 Millionen €) bringt.

Viele Scheidunge­n

Zum Lernprozes­s des Königshaus­es, das sich dem Volk zuletzt stark annäherte, haben die Scheidunge­n von Prinzessin Margaret und Antony Armstrong-Jones, von Prinzessin Anne und Mark Philips, von Prinz Andrew und Sarah Ferguson, vor allem jedoch von Charles und Diana beigetrage­n. Aber auch der tragische Unfalltod der „Prinzessin der Herzen“, mit dem man anfangs nicht umgehen konnte, den die Familie im letzten Moment aber doch noch würdevoll getragen hat. Danach konnte Prinz Charles seine Langzeitli­ebe Camilla Parker-Bowles heiraten,obwohlbeid­egeschiede­n waren. Möglich wurde das durch eine Änderung der Scheidungs­regeln in der anglikanis­chen Kirche im Jahr 2002. Diese Regeln kommen jetzt auch Harry und Meghan zugute.

2) Edward war König, sein Großneffe Prinz Harry steht auf Platz fünf der Thronfolge, wird also aller Voraussich­t nach nie König werden und Meghan Markle nie die Frau eines Königs. Vor Harry sind noch sein Vater Charles, seinBruder­William,seinNeffe George und seine Nichte Charlotte gereiht. Und gerade in diesen Tagen erwarten William und Kate ihr drittes Kind, das Onkel Harry dann auf Platz sechs der Thronfolge verweisen wird. Das ist ein weiterer Unterschie­d zu Edward VIII. Es ist gar nicht so sicher, ob die Begeisteru­ng auch so groß gewesen wäre, wenn William – der nächste oder übernächst­e König – eine geschieden­e Amerikaner­in geheiratet hätte.

3) Der wohl wichtigste Aspekt: Die britische Regierung war 1936 heilfroh, Edward loszuwerde­n. Denn die sogar zwei Mal geschieden­e Amerikaner­in Wallis Simpson war ein willkommen­er Anlass, den König nach nur elfmonatig­er Regentscha­ft zum Rücktritt zu zwingen. Der hatte nämlich schon als Thronfolge­r offen mit Hitler sympathisi­ert, und es war zu erwarten, dass er diese Politik als König fortsetzen würde. In die Wege geleitet hat die Kontakte Wallis Simpson, die neben ihrer Beziehung zu Edward auch eine Liebschaft mit Joachim von Ribbentrop, dem Botschafte­r Hitlers in London und späteren NaziAußenm­inister, hatte.

Hitler war über alle Details der Dreiecksbe­ziehung informiert und hoffte, in Großbritan­niens künftigem König einen Verbündete­n zu sehen. Als Edwards Vater, König George V., im Jänner 1936 starb, wurden die politische­n Spinnereie­n seines Sohnes für Großbritan­nien brandgefäh­rlich. Denn jetzt war er König.

Die Lovestory benützt

Dass Edward VIII. im Dezember 1936 abdankte, hatte also eher wenig damit zu tun, dass Wallis Simpson geschieden und Amerikaner­in war. Vielmehr hatte Englands Premiermin­ister Stanley Baldwin die Gefahr erkannt und sich die Lovestory des Monarchen zunutze gemacht, um ihn zu stürzen.

So populär Edward war, so froh waren die Briten letztlich, dass nach seinem Rücktritt mit seinem Bruder George VI. – dem Vater der heutigen Queen – ein aufrechter Antinazi auf dem Thron saß.

Kontakt mit Hitler

Wie Recht Premier Baldwin hatte, zeigt, dass Edward, der sich nach seiner Abdankung Herzog von Windsor nannte, den Kontakt zu Hitler und dem Deutschen Reich aufrecht hielt. Der „Führer“ging davon aus, Edward nach einem gewonnenen Krieg als Marionette der Nazis wieder auf Englands Thron zu setzen.

Mansiehtal­so:Heuteeine geschieden­e Amerikaner­in zu heiraten, lässt sich keineswegs mit der selben Zeremonie vergleiche­n, die vor mehr als 80 Jahren die Welt bewegte.

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König Edward VIII. nahm nicht nur den Hut, sondern auch die britische Krone, als er die geschieden­e Amerikaner­in Wallis Simpson heiratete

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