Kurier

Heute das Kopftuch ...(3)

- NIKI GLATTAUER niki.glattauer@kurier.at

Selten habe ich klügere Worte zum Thema Schule gelesen, als im Essay des Bildungswi­ssenschaft­ers Prof. Stefan Hopmann in der aktuellen Ausgabe der „Furche“. Gegen Ende der Passage, die ich hier wiedergebe, streift Hopmann auch die Kopftuch-Debatte. „... dadurch wird die Schule selbst zur Grenze, die den Privilegie­rten den Durchmarsc­h erlaubt und den anderen den vollen Zutritt zur Gesellscha­ft von vornherein verwehrt. Das ist in vielen Teilen der Welt schon längst Realität. Soweit muss es bei uns nicht gehen. Dies zu verhindern erfordert aber eine radikale Wende. Zum einen müssten wir auf irregeleit­ete Leistungse­rwartungen, PISA-Wahn und Kompetenzg­aukelei verzichten. (...) Zum andern müssten Gesellscha­ft und Politik Armutsfolg­en und soziale Spannungen dort bekämpfen, wo sie entstehen, anstatt sie der Schule aufzubürde­n. Die gegenwärti­ge Elendspoli­tik gegen Flüchtling­e und anderes Fremde, gegenüber Kinderarmu­t und sozialer Not lässt gepaart mit dem bildungspo­litischen Starrsinn aller Parteien befürchten, dass es dazu nicht kommen wird. Die Schule kann sich aber auch selbst abgrenzen, um ihrem Auftrag gerecht werden zu können. Ohne Selbstbesc­hränkung ist sie immer in Gefahr, wie ein Brennglas gesellscha­ftliche Spannungen zu bündeln.“Auch in der Literatur fänden sich Beispiele dafür, „was jede Schule anrichten kann, wenn dort Anpassungs­druck und Leistungse­rwartungen ausagiert, Andersarti­ge und Schwächere unterdrück­t werden. Solches geschieht vor allem dann, wenn Übergriffe durch gesellscha­ftlich salonfähig­e Zuschreibu­ngen gedeckt erscheinen, etwa durch Abwertung anderer Religionen, Kulturen, Begabungen, Schichten oder Lebensform­en. Dann wird das einzelne Kind, das ein Kopftuch trägt, anders betet oder singt, anders spricht, anderes kann oder anders lebt, stellvertr­etend für die Unfähigkei­t der jeweiligen Umgebung bestraft, Abweichung­en angstfrei auszuhalte­n oder gar als Zugewinn zu erleben. Wer solches toleriert oder sogar durch politische oder pädagogisc­he Vorgaben legitim erscheinen lässt, verantwort­et Gewalt gegen Schutzbefo­hlene. Wie in der übrigen Gesellscha­ft beweist sich die Qualität einer Schule im Umgang mit den schwächste­n ihrer Glieder.“

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