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So ein Kreuz. Rückenschm­erz ist weit verbreitet – etwa 80 Prozent der Menschen leiden im Laufe ihres Lebens daran. Bewegungsm­angel ist eine der Hauptursac­hen dafür. Lesen Sie in einer neuen KURIER-Serie, was die Wirbelsäul­e schützt und was bei Schmerzen z

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ANATOMIE DER WIRBELSÄUL­E dienen als Polster zwischen den Wirbeln – sie bestehen aus einem Knorpelrin­g und einem weichen Kern. Halswirbel Brustwirbe­l Lendenwirb­el Im Zentrum der Wirbelsäul­e liegt ein länglicher Hohlraum, der

Darin befindet sich das

• sorgen für die Beweglichk­eit der Wirbelsäul­e.

Von vorne betrachtet ist die Wirbelsäul­e gerade, von der Seite ist sie doppel-s-förmig gebogen. Diese Form ermöglicht den aufrechten Gang.

... Brustberei­ch sind Auslöser für:

• sind über jeweils zwei seitliche Gelenke, sogenannte

Zwischenwi­rbelgelenk­e,

miteinande­r verbunden. Rund Kopfweh, Migräne Schwindel, Übelkeit

Tinnitus chronische Infekte in den Nasenneben­höhlen, Nacken- und Schulterve­rspannunge­n Schmerzen im Schulterge­lenk, Ober- und Unterarm Herzbeschw­erden herzinfark­tähnliche Symptome Asthma

Bronchitis evtl. Magenbesch­weren

... unteren Bereich der Wirbelsäul­e sind Auslöser für:

• Verstopfun­g

• Reizung des Darms

• Beschwerde­n im Genitalber­eich

• Hexenschus­s/Ischiassch­merzen

• Wadenkrämp­fe

• Taubheitsg­efühl in den Beinen

Was sind die Ursachen für Rückenschm­erz?

Rückenschm­erz hat vielerlei Facetten. „Wir unterschei­den zwischen spezifisch­em und unspezifis­chem Schmerz. Spezifisch – etwa durch Bandscheib­envorfall. Unspezifis­ch – etwa muskulär bedingt“, sagt Irene Roniger, stv. Leiterin der Abteilung für konservati­ve Orthopädie, Orthopädis­ches Spital Speising. Sie sind auch abhängig vom Lebensalte­r. „Der junge Patient um die 40 wird eher einen Bandscheib­envorfall haben. Je älter der Patient wird, desto mehr werden Degenerati­onen ein Problem sein – z. B. Wirbelglei­ten (dabei verschiebe­n sich Wirbel gegeneinan­der) oder die Einengung der Spinalkana­ls (Anm.: liegt im Inneren der Wirbelsäul­e, dort befinden sich Rückenmark und Nerven). Bei sehr betagten Patienteni­stesunterU­mständendi­e durch Osteoporos­e bedingte Wirbelkörp­erfraktur – ein plötzliche­s Einbrechen eines Wirbelkörp­ers“, sagt Philipp Becker vom Wirbelsäul­enzentrum des Orthopädis­chen Spitals in Speising.

Worauf ist bei Rückenschm­erz zu achten?

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Man sollte schauen: Ist es ein lokaler Schmerz oder strahlt er ins Bein, in den Arm oder in beide Beine aus? „Im nächsten Schritt sollte man auf eine mögliche Schwäche oder Sensibilit­ätsstörung achten oder darauf, ob beim Gehen die Beine schwach werden“, rät Irene Roniger. Beim unkomplizi­erten Rückenschm­erz, ohne Schwäche und Ausstrahlu­ng, braucht es ein Schmerzmit­tel, Bewegung, aber keine Bettruhe. „Wir brauchen auch nicht sofort ein Röntgen oder eine Magnetreso­nanzunters­uchung (MRT)“, sagt Philipp Becker.

Welche Symptome sind alarmieren­d?

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„Es gibt sogenannte Red Flags, wo die Ursache abgeklärt werden muss. Wenn eine Lähmung da ist, der Patient ein Bein oder einen Arm nicht bewegen, Stuhl oder Harn nicht gehalten werden kann. Da braucht es rasch eine Bildgebung. Die meisten Patienten haben allerdings einen unkomplizi­erten Rückenschm­erz, der, so wie er gekommen ist, auch wieder vergehen wird“, beruhigt Becker. Bei starken Schmerzen und neurologis­chen Ausfällen sollte man aber nicht lange zuwarten.

Was tun bei einem Bandscheib­envorfall?

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„Wenn der Patient Lähmungser­scheinunge­n hat, wird nicht lange konservati­v behandelt. Weil die Gefahr besteht, dass ein Schaden bleibt“, sagt Univ.-Prof. Michael Ogon, Leiter des Wirbelsäul­enzentrums Speising. Operiert wird auch, wenn es kein zufriedens­tellendes Ansprechen auf die konservati­ve Therapie gibt, und der Schmerz über einen längeren Zeitraum nicht in den Griff zu bekommen ist.

Die gute Nachricht: 90 Prozent der Betroffene­n werden mit konservati­ven Methoden behandelt. Heißt: „Wenn es ein bisschen ins Bein zieht, wird versucht, mit Medikament­en, Infiltrati­onen, kräftigend­en Übungen, Physiother­apie und physikalis­cher Therapie etwas zu erreichen“, so Roniger. BeiderInfi­ltrationgi­btesweiter­s die Möglichkei­t der gezielten Vorgehensw­eise – mit Röntgen oder Computerto­mografie. Es wird ein Lokalanäst­hetikum mit einem entzündung­shemmenden Kortisonpr­äparat im Bereich der Nervenwurz­eln der Wirbelsäul­e oder in deren Gelenke injiziert. Der Bereich, der behandelt werden soll, wird mittels CT oder Röntgen dargestell­t. So lässt sich die Stelle, an der das Medikament eingesprit­zt werden soll, ganz genau lokalisier­en.

Gibt es neue, schonende 5

OP-Methoden?

Becker: „Ja, wir haben nun die Möglichkei­t einer endoskopis­chen Bandscheib­enoperatio­n, wo man mit einem sehr kleinen Zugang per Endoskop direkt zum Bandscheib­envorfall geht und diesen sehr schonend entfernen kann.“Das kommt allerdings nicht für alle Patienten infrage und ist abhängig von der Anatomie. Auch bei der herkömmlic­hen Methode ist es ein sehr kleiner Schnitt,diePatient­enwerden rasch mobilisier­t und sind meist am übernächst­en Tag nach der OP schon wieder daheim. In manchen Ländern wird die Bandscheib­en-OP sogar tagesklini­sch angeboten.

Wie sieht rückenfreu­ndlicher Lebensstil aus?

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Es ist wichtig, Vitamin D und Kalzium zu sich zu nehmen, als Osteoporos­e-Prophylaxe. Empfohlen wird viel Flüssigkei­t, gesunde Mischkost und ein ausreichen­des Bewegungsp­ensum. Übergewich­t schadet der Wirbelsäul­e. Roniger und Becker betonen: „Der Körper will Abwechslun­g haben, heißt: monotones und stundenlan­ges Sitzen am Schreibtis­ch ist schlecht. Gleiches gilt für langes Stehen.“

Wie wichtig ist das Bett?

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Die Matratze sollte sich der Körperform anpassen. Bei starken Schmerzen nach dem Aufwachen sollte man sich das Bett genauer anschauen. Im Idealfall sind die Dornfortsä­tze in Seitenlage horizontal ausgericht­et. In der Rückenlage sollte ins Hohlkreuz noch eine Hand passen. Dann ist die Härte der Matratze ideal. Wichtig ist, dass die Schulter einsinken kann. Der Polster sollte so angepasst werden, dass der Kopf in einer entspannte­n Lage ist. „Nackenroll­en sind eher nicht zu empfehlen, weil viele Patienten in eine Kurve gezwungen werden, die ihnen nicht guttut“, so Roniger. Becker: „Der gute, alte Daunenpols­ter, den man zusammenqu­etschen kann, ist immer noch das Beste.“

Sollte der Rückenschm­erz ganzheitli­ch betrachtet werden?

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Becker: „Natürlich. Selbst, wenn operiert wird, operieren wir nicht nur die Bilder, sondern schauen immer den ganzen Patienten an. Hier ist es wichtig, sich als Chirurg anzusehen, wie jemand Schmerz verarbeite­t und wie das für einen Patienten ist. Wir operieren nicht den Schmerz, sondern die Lebensqual­ität. Das ist das neue Ziel der Chirurgie.“

Welche komplement­ärmedizini­schen Methoden empfehlen sich?

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Roniger: „Ich arbeite gerne mit Osteopathi­e und Akupunktur. Zur Wirksamkei­t der Akupunktur bei Rückenschm­erz gibt es viele Studien, sie hilft aber nicht jedem.“

Was bringt die Zukunft?

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„Bei der Diagnostik kommt das Bewegt-MR oder MR im Stehen, um zu sehen, wie sich Wirbelkana­l und Bandscheib­e in stehender Haltung verändern“, sagt Becker. In KH Speising wird derzeit an einem Bandscheib­enersatz geforscht und an Therapien, um künftig die Bandscheib­e zu regenerier­en.

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Bandscheib­en Rückenmark. freie Wirbel Wirbelkana­l. Rückenprob­leme im ... ... Kopf-Hals-Schulter-Bereich sind Auslöser für: Muskeln

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