Parkour ohne Glamour
Die Väter sind im Gefängnis, die Mütter haben kein Geld, es gibt keine Arbeit, und wenn doch, dann besteht sie darin, um einen Hungerlohn in einer Fabrik zu schuften oder für die Camorra Schmiere zu stehen. Die tolle Reihe „Re: Reportagen aus Europa“, die jeden Freitag um 19.40 auf ARTE läuft (und auch online abrufbar ist), führte in ihrer jüngsten Ausgabe nach Neapel.
Das triste Schicksal vieler junger Menschen dort hat auch Roberto Saviano in „Gomorrha“auf ergreifende Art beschrieben, authentische Bilder sind aber schwer zu bekommen, nicht zuletzt, weil die Mafia über die Problemviertel wacht. Das ARTE-Team folgte einem Ex-Kriminellen, der seine Rettung in der Sportart Parkour fand und damit zum Vorbild im Viertel wurde: Er trainiert mit jungen Leuten, gibt ihnen Selbstbewusstsein und Hoffnung.
Die Doku war nicht nur ebenso spannend anzusehen wie fiktionale oder halb-fiktionale Auseinandersetzungen mit dem Mafia-Milieu (siehe „Gomorrha“, die TV-Serie). Sie führte auch ganz grundsätzlich die Notwendigkeit grenzübergreifender TV-Reportagen-Formate vor: Wir müssen hinschauen, wie prekär das Leben in manchen Ecken Europas ist. In vielen – vorrangig kommerziellen – Sendern wird die Welt marginalisierter GroßstadtJugendlicher nur vordergründig „authentisch“serviert, tatsächlich trägt sie oft den Glanzlack des Trendsports (im Fall von Parkour, Breakdance, Skateboarding) oder den Gangster-Glamour der Hip-Hop-Industrie. Die Realität ist dem TV-Publikum aber durchaus zumutbar.