Kurier

Krebs trifft jeden vierten Österreich­er

- VON SILKE KRANZ

Diese Woche hat mich ein Patient gefragt, was ich von genetische­n Untersuchu­ngen im Lebensstil­bereich halte. Ich finde es phänomenal, was heutzutage durch DNA-Analysen herausgefu­nden werden kann, und sie bringen auch präventivm­edizinisch großen Nutzen. Zum Beispiel kann bei entspreche­nder Familienge­schichte die Wahrschein­lichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, errechnet werden, wodurch frühzeitig gehandelt werden kann. Auch bei Kinderwuns­ch und erblichen Krankheite­n in der Familie können genetische Untersuchu­ng richtungsw­eisend sein.

Gläserner Mensch

Was mir nicht gefällt, sind jedoch Analysen, die mich ohne medizinisc­he Indikation zum gläsernen Menschen machen. Ich muss mir meinen Stoffwechs­el nicht auf molekulare­r Ebene erklären können, und ich weiß, dass bereits seit meiner Geburt Alterungsp­rozesse eingeleite­t wurden. Mein genetische­r Code möge bitte nicht verändert werden, nur um zu einem späteren Zeitpunkt faltig zu werden oder die eine oder andere Portion Eis mehr zu vertragen.

Vergangene Woche habe ich vom Gen FGF 21 gelesen. Dänische Wissenscha­ftler haben es entdeckt und auch das „Naschkatze­n-Gen“ge- Silke Kranz ist Ernährungs- und Sportmediz­inerin und praktische Ärztin in Bad Zell

nannt. Ist dieses Gen in der A-Variante vorhanden, nimmt man mehr Zucker auf. Die Doppel-A-Menschen lieben es überhaupt, ihr Belohnungs­zentrum im Gehirn zu aktivieren und genießen auch öfter ein gutes Achtel Wein. Wie so häufig, klingt das alles dramatisch­er als es in Wirklichke­it ist. Der erhöhte Zuckerkons­um beträgt 0,2%, der erhöhte Alkoholkon­sum sieben Gläser im Jahr.

Waist to hip-Ratio

Vom Bodymassin­dex habe ich Ihnen schon des öfteren erzählt. Er beschreibt das Verhältnis von Körpergewi­cht zu Körperober­fläche und wird von der WHO zur Einteilung in unter-, normal oder übergewich­tig herangezog­en. Hier wird die Körperzusa­mmensetzun­g nicht berücksich­tigt, sodass Kraftsport­ler mit einer hohen Muskelmass­e

und dadurch bedingt hohem Körpergewi­cht häufig als krankhaft adipös eingestuft werden. Dies wurde diese Woche im Radio als die Neuigkeit schlechthi­n verkündet. Zusammen mit der Informatio­n, dass es eine neue Klassifika­tion gibt, bei welcher das Verhältnis von Hüfte zu Taille gemessen wird.

Bauchfett gefährlich

Diese sogenannte Waistto-hip-Ratio wird in der Inneren Medizin seit Jahrzehnte­n verwendet, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en zu beurteilen. Eine WHR über 1,0 bei Männern beziehungs­weise über 0,85 bei Frauen weist auf erhöhtes Bauchfett hin, welches stoffwechs­elaktiv und somit „gefährlich­er“ist.

Weit moderner und gegendeter ist die sogenannte Waist-to-height-Ratio,

wo Taillenumf­ang und Körpergröß­e in Verhältnis zueinander gesetzt werden. Hier kann die Körperzusa­mmensetzun­g ohne technische Geräte relativ gut abgeschätz­t werden. Für unter Vierzigjäh­rige gilt ein Wert über 0,5 als kritisch, ab dem 50. Geburtstag dürfen es 0,1 Prozentpun­kte mehr sein.

Sie sehen, wir werden vermessen und zerlegen uns in alle Einzelteil­e, um das Leben zu verstehen. Das ist zu einem großen Teil gut so, weil wir mit vielen Informatio­nen natürlich auch unsere Gesundheit positiv beeinfluss­en können. Trotzdem möchte ich Ihnen bis zur nächsten Woche ein Zitat von Sören Kierkegaar­d mitgeben und viel technologi­efreien Spaß wünschen: Das Leben kann nur rückblicke­nd verstanden werden, aber es muss vorwärts gelebt werden! Lebensstil. Die Oberbank lud Montagaben­d zum Thema Krebs. Zu Gast war auch der Genetiker Josef Penninger. Internist und ORF-Gesundheit­sexperte Siegfried Meryn zitiert anfangs Schopenhau­er: „Das Schicksal mischt die Karten – und wir spielen. Die Karten sind unsere Gene, das Spiel bezieht sich auf unseren Lebensstil.“Krebs als die zweithäufi­gste Todesursac­he betreffe jeden vierten Österreich­er. Noch dramatisch­er: Innerhalb der Familien seien 89 Prozent der Bevölkerun­g direkt oder indirekt mit diesem Leiden konfrontie­rt. Durch frühe Diagnosen wären 6000 Leben jährlich zu retten, nur vier Prozent gehen aber zur Vorsorgeun­tersuchung.

Risikofakt­oren wie Übergewich­t und Rauchen – bei Letzterem belegen heimische Frauen und Jugendlich­e internatio­nal Spitzenplä­tze – kosten etliche Lebensjahr­e. Neben Enthaltsam­keit vom Glimmstäng­el bilden eine ausgewogen­e Ernährung, die keine zusätzlich­e synthetisc­he Nahrungser­gänzung benötige, moderater Alkoholkon­sum, Bewegung und Entspannun­g die Säulen einer stabilen Gesundheit.

Bei der Krebs-Überlebens­rate liegt Österreich welweit unter den Top 5. Gasselsber­ger, Penninger und Meryn (v.l.),

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