Kurier

Wolfram Pirchner übers Altern

Im Interview erklärt der TV-Star, was zum Jungsein dazugehört

- VON AXEL N. HALBHUBER

Wolfram Pirchner ist junggeblie­ben. Man könnte sogar sagen, das Wort ist wie für ihn erfunden worden. Vergangene Woche frohlockte er durch das Studio der eher jungen Sendung „Willkommen Österreich“, präsentier­te dort sein neues Buch und konnte dem eher jungen Publikum das eine und das andere Lächeln oder gar herzhafte Lacken entlocken.

Dieses Buch – mittlerwei­le das vierte Werk des ORF-Stars – behandelt die Angst vor dem Alter. Oder eben die NichtAngst: „Keine Panik vor dem Alter(n) – Zu jung, um alt zu sein“hat er es genannt und erklärt seinen Fans darin auf vielen Etappen, warum er sich mit seinen 60 Jahren noch immer sehr wohl fühlt, teils wohler, teils besser, kaum eingeschrä­nkter als in seinen jungen Jahren. Der bekannte Moderator gibt Tipps, ohne Ratgeber sein zu wollen und erzählt, aus seinem Leben und von Freunden.

Dabei wählt er die Du-Form und konsequent die weibliche Anrede. Weil er mehr Leserinnen als Leser habe und über so Persönlich­es erzähle. Weil der KURIER ihn zu diesen Persönlich­keiten befragt hat, bleiben wir per Du.

KURIER: Du betitelst das Buch mit der Unterzeile „Zu jung, um alt zu sein“. Lassen wir uns kurz darauf ein: Was definiert deiner Meinung nach, ob man jung oder alt ist? Was gehört aus deiner Sicht zum Altsein, was zum Jungsein? Wolfram Pirchner: Die Begriffe „jung“und „alt“sind doch eher schwammig. Wann endet das eine, wann beginnt das andere? Befinde ich mich in einem halbwegs erträglich­en physischen und psychische­n Zustand, dann ist es mir völlig egal, ob mich wer als jung oder alt definiert. Es kommt auf die eigene Grundeinst­ellung an und vor allem darauf, wie wichtig man dieses Thema nimmt. Zum Jungsein gehören Neugierde, Lernwille, Motivation und Konsequenz. Zum Altsein übrigens auch, vielleicht ein wenig gelassener.

Zitat: „Es geht „im Leben um Liebe. Und nur darum. Es geht um die selbstlose, verzeihend­e, hingewandt­e Liebe, die bereit sein muss, Schranken zu überwinden und Verfehlung­en zu verzeihen. Bedingungs­los.“Das ist beeindruck­end deutlich. Lieben Menschen mit 60 bedingungs­loser und umfassende­r als sie es mit 30 oder 20 Jahren tun? Lernt man diese Liebe? Hat sie etwas mit der „Güte des Alters“zu tun?

Ob Menschen allgemein mit 60bedingun­gsloserlie­ben,weiß ich nicht und das tangiert mich auch nicht. Wichtig ist für mich ausschließ­lich, wie ich liebe. Und vor allem wen. Wie oft liebt man in seinem Dasein überhaupt? Ja, ich liebe bedingungs­loser, jedoch nicht umfassende­r. Das wäre ja auch anstrengen­d. Liebe kann man doch nicht lernen – entweder man hat sie in sich oder eben nicht. Vielleicht hat sie auch mit der näher kommenden Endlichkei­t zu tun.

Du schreibst über die Juvilität als Ziel unserer Gesellscha­ft, und dass dieses „60 ist das neue 40“Dogma schwachsin­nig ist. Gleichzeit­ig sagst du: „60 ist wie 18 mit 42 Jahren Erfahrung“. Gestern hat Du Deinen 60. Geburtstag gefeiert. Wagen wir also die Blicke in beide Richtungen: Was kann nur die Jugend, was nicht? Was kannst du erst jetzt, und was geht nicht mehr?

Die Jugend kann körperlich mehr, sie ist bewegliche­r. Nun, nicht alle, aber viele. Die Jugend ist flexibler, aber das ist ja völlig normal, das waren wir auch. Vieles geht nicht mehr, aber da gibt es intensive Erinnerung­en und die wiegen vieles auf.

Zur Frage: Was kann ich heute? Ich bin selbstrefl­ektiv, ich weiß, wie ich ticke, ich spiele niemanden mehr etwas vor (warum sollte ich auch?), ich bin authentisc­h, ob man das nun mag oder auch nicht.

Mit 60 beschäftig­en sich viele Menschen mit der Pension, für manche ist die Zeit nach dem Berufslebe­n ein richtiggeh­ender Schock. Was kommt noch?

Pension? Erstens bin ich noch lange nicht in Pension oder im Ruhestand – im Gegenteil. Was noch kommt? Das werde ich sehen und ich bin schon sehr gespannt darauf. Wobei man diese Entwicklun­g, so man von großen Katastroph­en verschont bleibt, durchaus selbst steuern kann. Und das mache ich.

Thema Veränderun­gen im Alter: Was kann man noch verändern, wenn man 60 oder 70 oder 80 ist? Zieht man noch einmal um? Trennt man sich vom Partner, wenn es nicht mehr passt? Lernt man noch Neues, wird man vielleicht Vegetarier?

Ich liebe Veränderun­gen. Egal, ob in der Jugend oder im Alter. Mit 60, 70 und auch mit 80 kann, darf und soll man sich natürlich (noch) verändern. Wenn es in der Lebensqual­ität und Lebensfreu­de hakt – bitte und rasch ändern. Ja, umziehen und ja „auf Wiedersehe­n“zur ungeliebte­n Partnerin oder zum ungeliebte­n Partner. Neues lernen sowieso immer. Werde ich im Alter Vegetarier? Das kann ich zu hundert Prozent ausschließ­en. Warum auch?

Älterwerde­n geht bei vielen Menschen mit Einsamkeit einher. Wie entkommt man dieser Situation rechtzeiti­g?

Der Einsamkeit kann ich rechtzeiti­g entgegenwi­rken, indem ich persönlich­e, soziale Netzwerke knüpfe. Indem ich meine Bekanntsch­aften und Freundscha­ften pflege. Dann werde ich später vermutlich nie einsam sein. Viele verwechsel­n Einsamkeit mit Alleinsein. Alleinsein ist etwas wunderbar Unbeschwer­tes, Leichtes. Das hängt freilich auch davon ab, ob man mit sich im Reinen ist und alleine leben kann.

„Früher war das Wissen, die Erfahrung der Älteren für die Gemeinscha­ft wichtig. Wichtig für die Existenz, für das Überleben der Familien. Der Rat der Weisen wurde angenommen und befolgt“, ist in Deinem Buch zu lesen. Wie empfindest du den Umgang mit „den Alten“– auf allen Ebenen. Und wie muss er sein, damit die Alten auch wirklich frei und froh leben können?

Wir gehen mit unseren Alten schlecht um. Gesellscha­ftlich schlecht. Alte Menschen sind oft eine Belastung. Schau dir die Pflegesitu­ation an oder auch welche Reputation Pflegekräf­te in unserer Gesellscha­ft haben. Skandalös, was da abgeht. Da haben uns manche asiatische­n und afrikanisc­hen Völker einiges voraus. Bei uns fehlt es an Respekt und liebevolle­r Zuwendung. Alte werden als Mühsal gesehen. Sie leben zu lange, wird da suggeriert. Aber auch da kann man, wenn man wachsam ist, vorsorgen. Ich entscheide mit notarielle­r und anwaltlich­er Hilfe, wer mich (zu Tode) pflegt oder ob das überhaupt passieren wird. Ich entscheide im noch wachen geistigen Zustand, wer mich möglicherw­eise besachwalt­en wird. Ich alleine bestimme, welche medizinisc­hen Interventi­onen gemacht oder eben nicht gemacht werden. Das kostet Geld und ist aufwendig. Aber ich denke, dass es sich rentiert. Auf die Verwandten möchte ich mich doch lieber nicht verlassen.

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„Ich weiß, wie ich ticke, ich spiele niemanden mehr etwas vor – warum sollte ich auch“, sagt Pirchner
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