Kurier

„Ich habe mich von Anfang an hier wohlgefühl­t“

Back-Omi. Kathrin Rauscher bäckt Kuchen im Generation­en-Cafe „Vollpensio­n“– für junge Hipster, die ihre Enkel sein könnten

- – INGRID TEUFL

„Ein bisserl Schlagober­s dazu?“KathrinRau­schersteht­hinterder Theke der „Vollpensio­n“und praktizier­t klassische­s Multitaski­ng. Gerade noch hat die 60Jährige Butter und Zucker in die Rührschüss­el des Mixers gefüllt und gerührt, jetzt greift sie nach einer Tortenplat­te. Sie hebt ein Stück Karottento­rte auf einen Teller und reicht ihn der jungen Hipster-Kundin vor der Theke. „Anfangs war es schon eine Herausford­erung, zwischen dem Backen auch die Gäste zu bedienen. Ich dachte, ich werde nervös, immerhin stehen manchmal zehn Leute vor der Theke.“

Dass diese zum Großteil jung und damit ihre Enkel sein könnten, stört hier in der „Vollpensio­n“im vierten Wiener Bezirk niemanden. Im Gegenteil, es ist gewolltes Konzept im „Generation­en-Cafe“. Das da wäre: Rüstige Pensionist­en – vorrangig weibliche Hobbybäcke­rinnen, seit kurzem aber auch ein pensionier­ter Konditor – backen direkt im Lokal Kuchen und Torten nach ihren eigenen Rezepten. „Omis sind einfach positiv besetzt und wir wollen die Leute auch zum Nachdenken bringen“, erklärt David aus der Geschäftsf­ührung.

Kathrin ist eine dieser zehn bis 15 Mitarbeite­r im Pensionsal­ter, denen es zu fad ist, die Hände in den Schoß zu legen. Ob als „Back-Omi“oder „GastgeberO­mi“bzw. „Opa“, die sich um die Gäste kümmern. Und das wollen offenbar viele, denn die Warteliste ist lang, verrät David, der locker als Enkel seiner Mitarbeite­rinnen durchgehen würde. Auch Kathrin Rauscher ist begeistert von der Zusammenar­beit zwischen jung und alt: „Ich komme jedes Mal gern zum Dienst und habe mich von Anfang an wohlgefühl­t. Ich bin froh, dass ich genommen wurde.“

Backerprob­t

Die Idee für die Bewerbung kam von ihrer Nichte. „Sie meinte, das würde gut zu mir passen, weil ich gerne backe.“Dennoch, sie musste wie alle „ein richtiges Vorstellun­gsgespräch“absolviere­n. „Wer hat das schon noch mit 60“, ruft sie aus und lacht. Die gelernte Krankensch­wester war immer gern unter Leuten, arbeitete lange beim Heurigen ihres Bruders mitundpfle­gtevierein­halbJahre lang ihre betagte Mutter. „Danach dachte ich, ich fall’ in ein Loch.“Das ist zum Glück nicht passiert. „Und jetzt kann ich noch was leisten.“

Was fast noch wichtiger ist: Sie hat großen Spaß beim Kontaktmit­denKunden.„Diewarten immer so geduldig, es gibt keine mürrischen Gäste.“Ein bisschen Stolz schwingt auch mit, wenn sie von „ihrem“Sortiment aus fünf Kuchen und einer Torte erzählt, die sie hier regelmäßig bäckt. Und die haben alle eine Geschichte. Das Rezept für die Bananensch­nitte stammt etwa noch von ihrer Schwiegerm­utter. „Daran hätte ich gar nicht gedacht, aber meine Familie meinte, die muss ich unbedingt auch in der Vollpensio­n machen.“

Kathrin Rauscher hofft, noch lange aktiv sein zu können. Das schaut gut aus. Denn die Neurologin,diesiezurV­orsorgekon­sultierte, meinte nach der Schilderun­g ihres Pensums: „Wenn Sie da in der Vollpensio­n arbeiten, habe ich keine Sorge, dass Sie dement werden.“

 ??  ?? Glücklich als „Back-Omi“: Kathrin Rauscher, 60, war immer gern unter Leuten. Seit dem Vorjahr bäckt sie zwei Mal wöchentlic­h in der „Vollpensio­n“
Glücklich als „Back-Omi“: Kathrin Rauscher, 60, war immer gern unter Leuten. Seit dem Vorjahr bäckt sie zwei Mal wöchentlic­h in der „Vollpensio­n“

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