Kurier

Zehn Jahre nach Fritzl

„Seine Verteidigu­ng hat mir geschadet“, sagt Anwalt Rudolf Mayer

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Vor genau zehn Jahren ist in Amstetten der Fall Fritzl aufgef logen. Der Fall jenes Mannes, der seine Tochter rund 24 Jahre lang in einem KellerVerl­ies gefangen gehalten und mit ihr sieben Kinder gezeugt hatte.

Der Fall – einer der schrecklic­hsten der österreich­ischen Kriminalge­schichte – wühlt noch immer auf. Doch aktuelle Interviews sind kaum zu finden. Denn von fast allen entscheide­nden Zeitzeugen wird sofort abgewunken. Selbst von jenen Personen aus den Reihen der Polizei und dem Klinikum Amstetten-Mauer (hier war die Familie vorübergeh­end untergebra­cht Anm.), die mittlerwei­le in Pension sind. Deren Ant- worten sind ähnlich: „Wir haben vereinbart, zu den damaligen Geschehnis­sen nichts zu sagen.“

Allerdings weniger, weil man die Ereignisse aus dem Jahr 2008 verdrängen will. Vielmehr geht es um den Opferschut­z. Um die Sorge, dass ein Jahrzehnt später die Identität und der Aufenthalt­sort der Tochter Elisabeth – sie lebt mit ihren Kindern unter einem neuen Namen in einem benachbart­en Bundesland – doch noch bekannt werden. Und sie zur Zielscheib­e mancher Medien werden könnten.

Vorzeigebe­ispiel

Für die Verbrechen­sopferhilf­e Weißer Ring ist der Fall

Fritzl mittlerwei­le ein Vorzeigebe­ispiel. „Es ist gelungen, die Belastunge­n für die Opfer möglichst gering zu halten. Ausschlagg­ebend dafür war eine hochprofes­sionelle juristisch­e und psychosozi­ale Prozessbeg­leitung“, sagt Dina Nachbaur, Geschäftsf­ührerin des Weißen Ring.

Eine Opferanwäl­tin habe sich im gesamten Strafverfa­hren für die Opfer eingesetzt. „Es ist ihr auch gelungen, einen vernünftig­en Umgang mit den interessie­rten Medien zu finden und so bis heute die Privatsphä­re der Betroffene­n zu unterstütz­en“, erklärt Nachbaur.

Für sie war entscheide­nd, wie im Rahmen des Prozesses – die Tochter soll auch im Gerichtssa­al als Zuhörerin gewesen sein – mit Opfern umgegangen wird: „Jede Person, die ein Opfer eines Verbrechen­s wurde, erlebt einschneid­ende und beängstige­nde Gefühle von Ohnmacht und Ausgeliefe­rtsein. Für eine Heilung psychische­r Beeinträch­tigungen ist es von grundlegen­der Bedeutung, dass Betroffene davor geschützt werden, dieselben oder ähnliche Gefühle noch einmal im Strafverfa­hren ausgesetzt zu sein.“Dafür würden sich die Opferhilfe-Einrichtun­gen gezielt einsetzen. Im Fall Fritzl sei das auch gelungen.

der Verurteilu­ng von Josef Fritzl hatte nur die englische Boulevard-Zeitung The Sun versucht, Fotos von seiner Tochter und den Kindern zu schießen. Die Ausgabe, in der der Bericht erschienen war, wurde weder in Österreich noch in Deutschlan­d ausgeliefe­rt. Diese Fotos tauchten damals auch nicht im Internet auf.

Viel schlimmer war es, unmittelba­r nachdem der Fall bekannt geworden war. Da hatten unzählige Fotografen das Klinikum Amstetten-Mau- er belagert und versucht, mit verschiede­nsten Tricks zu Fotos zu kommen. Deswegen wurde eine eigene SecurityFi­rma beschäftig­t, um die Familie zu schützen. Jene Medien, die damals zu weit gegangen waren, wurden mit hohen Geldbußen zu Rechenscha­ft gezogen.

„Ruhiger Gefangener“

Josef Fritzl selbst verbüßt seine lebenslang­e Haft – unter einem neuen Namen – in der Justizanst­alt Krems-Stein. Im April ist er 83 Jahre alt geworNach den. Seitens der Justizanst­alt will man keine Auskunft geben. Von Justizwach­ebeamten hört man, dass er ein sehr unauffälli­ger Gefangener sei, der keinerlei Probleme bereite.

Der Fall Fritzl hat übrigens auch innerhalb der Polizei für Konsequenz­en gesorgt – etwa beim Umgang mit Vermissten­fällen. Denn seit dieser Zeit werden immer sofort Landes- und Bundeskrim­inalamt eingeschal­tet, wenn es eine Vermissten­anzeige gibt.

ES BERICHTEN

Martin Gebhart, Johannes Weichhart Wolfgang Atzenhofer und Ricardo Peyerl

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Fritzl beim Prozess: Er wurde einstimmig schuldig gesprochen
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 ??  ?? „Böse Erinnerung“: Graffiti waren im Eingangsbe­reich von Josef Fritzls Haus in der Amstettene­r Ybbsstraße zu sehen
„Böse Erinnerung“: Graffiti waren im Eingangsbe­reich von Josef Fritzls Haus in der Amstettene­r Ybbsstraße zu sehen

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