Kurier

Kreuzzug für konservati­ve Revolution

Bayern. Das Kreuz, das ab Juni in allen Behörden hängen muss, ist Symbol für den strammen CSU-Kurs vor der Wahl

- VON ANDREAS SCHWARZ

„Statt jeder Behörde ein Kreuz zu verordnen, sollte die CSU sich lieber wieder auf christlich­e Werte wie Nächstenli­ebe besinnen. Da haben Söder und Co. massiv Nachholbed­arf “, ätzte der Bundesvors­itzende der deutschen Linken, Bernd Riexinger. FDP-Chef Christian Lindner legte eins nach: „Wie der Markus Söder und die CSU Religionen permanent für die Parteipoli­tik instrument­alisieren, das erinnert geradezu an Erdoğan.“– Der Angesproch­ene mag sich denken: Und Erdoğan gewinnt Wahlen, genau darum geht es.

Die Verordnung, die zu Wochenbegi­nn vom bayerische­n Landeskabi­nett beschlosse­n worden ist, polarisier­t jedenfalls. In allen bayerische­n Landesbehö­rden haben ab 1. Juni Kreuze im Eingangsbe­reich zu hängen. Bisher schrieb die Staatsregi­erung Kreuze nur für die Klassenzim­mer der bayerische­n Schulen und die Gerichtssä­le vor. Das Kreuz sei kein religiöses Symbol, sagte Bayerns neuer Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) nach dem Beschluss, es sei ein „Bekenntnis zur Identität“und zur „kulturelle­n Prägung“Bayerns. Der Beschluss sei kein Verstoß gegen das Neutralitä­tsgebot.

In Wahrheit ist der Beschluss vor allem der Versuch der CSU, mit einem streng konservati­ven Kurs die absolute Mehrheit zu retten. In einem halben Jahr wird in Bayern gewählt, und die Partei befand sich zwar zuletzt wieder im Aufwind. Aber sie ist mit Umfragewer­ten zwischen 42 und 44,5 Prozent noch ein Stück von ihrem Ziel, der absoluten Macht, mit der sie Bayern seit Jahrzehnte­n fast immer regiert, entfernt.

Um die zu erreichen, gab es die personelle Änderung nach der CSU-Pleite bei der Bundestags­wahl: Der glücklose Horst Seehofer ist zwar noch Parteichef, aber das prestigetr­ächtige und poltertaug­liche Amt des Minister- präsidente­n hat sein innerparte­ilicher Konkurrent Markus Söder übernommen. Und der stramme Protestant mit dem freundlich­en Antlitz ist grimmig entschloss­en, das umzusetzen, was ein anderer Parade-Bayer zu Jahresbegi­nn ausgerufen hat: eine „konservati­ve Revolution“.

„Freiheit verteidige­n“

Es war der Chef der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag und frühere Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt, der in einem Aufsatz für die diesen Kurs anlegte: „Wir brauchen den Aufbruch in eine neue, konservati­ve Bürgerlich­keit, die unser Land zusammenfü­hrt, unsere Wertegemei­nschaft stärkt und unsere Freiheit verteidigt“, schrieb Dobrindt.Viele Bürger hätten das Gefühl, „dass sie in den Debatten mit ihren Positionen, ihren Meinungen und ihrem Alltag nicht mehr stattfinde­n. Dass der politische Kampf um Gleichbere­chtigung, Meinungsfr­eiheit und Toleranz allen gilt, nur nicht ihnen“.

Die 68er-Bewegung sei nie eine Arbeiter-, sondern eine Elitenbewe­gung gewesen, „linke Aktivisten“hätten sich Schlüsselp­ositionen in Kunst, Kultur, Medien und Politik gesichert. Die Mehrheit der Menschen im Land lebe und denke aber bürgerlich. „Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservati­ve Revolution der Bürger“, schrieb der CSU-Mann.

In Sachen Integratio­n von Muslimen machte Dobrindt klar: Eine christlich-abendländi­sche Leitkultur sei Grundkonse­ns des Zusammenle­bens, „wer integriere­n will, muss auch wissen, wohin – in welche Gesellscha­ft und welches Wertesyste­m“.

Das Kreuz ist für die CSU Symbol dieses Wertesyste­ms.

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