Kurier

Wie Bosch den Diesel retten will

Technologi­scher Durchbruch? Neue Motorkonfi­guration soll Stickoxida­usstoß massiv reduzieren Miba beobachtet zweistelli­gen Rückgang bei Dieselmoto­ren

- AUS STUTTGART ROBERT KLEEDORFER –TP

Die Innenstadt von Stuttgart: Pkw-Kolonnen prägen das Bild, auch abseits von Stoßzeiten. Entspreche­nd schlecht ist die Luft, die Messstelle „Am Neckartor“, wo sich täglich 70.000 Fahrzeuge vorbeistau­en, weist für das Vorjahr bei den Stickoxide­n (NOx) den nach München zweithöchs­tenWert Deutschlan­ds aus. Es drohen nun Strafzahlu­ngen und Fahrverbot­e für ältere Dieselauto­s, die die Hauptschul­d an den schlechten Werten tragen sollen. Am Neckartor führt auch die Teststreck­e von 20 Golf GTI vorbei, die mit Bosch-Logo versehen sind undeineMes­sboxamAusp­uff befestigt haben. Die auffällige­n Autos sind seit geraumer Zeit unterwegs, um zu beweisen, dass hohe NOx-Werte beim Diesel kein Muss sind.

Der in Stuttgart beheimatet­e Technologi­ekonzern Bosch – selbst als Zulieferer in den Dieselskan­dal ver wickelt – will an der Antriebsar­t festhalten, viel mehr noch, er ist fast dazu gezwungen. Schließlic­h arbeiten mehr als 20.000 Mitarbeite­r in der Dieselspar­te. Entspreche­nd groß ist der Umsatzante­il. Daher hat Bosch einen mittleren zweistelli­gen Millionenb­etrag in die Hand genommen und in den vergangene­n zwei Jahren mit rund 100 Technikern an einem neuen Dieselmoto­r gearbeitet. „Die Ergebnisse können sich messen lassen“, so Vorstandsc­hef Volkmar Denner, gestern, Mittwoch, anlässlich der Bilanzpräs­entation. „Das Stickoxid-Problem ist lösbar.“

Konkret stößt der Golf auf der gesamten Teststreck­e (die auch über Bundesstra­ßen und Autobahnen führt) unabhängig von Fahrstil und Außentempe­ratur im Durchschni­tt nur 13 Milligramm NOx/km aus – rund ein Zehntel des ab 2020 geltenden Grenzwerte­s. In der Stadt alleine sind es 43 mg/km. Um das zu erreichen, wurden u.a. Einspritzs­ystem, Software und Partikelfi­lter verbessert. Keine weiteren Hardwareko­mponenten seien notwendig. Details werden heute, Donnerstag, am Motorensym­posium in Wien vorgestell­t.

Laut Rolf Bulander, zuständige­r Vorstand für Mobile Solutions, kostet die Modifizier­ung unter 100 Euro je Motor und ist sofort einsatzber­eit – jedoch mit großen Einschränk­ungen. Der neue Motor kann weder in kleinere Autos unterhalb der Golfklasse eingebaut werden, noch eignet er sich zum Nachrüsten älterer Diesel. Und auch bei neuen Autos muss es erst eine technische Zertifizie­rung geben – ein langwierig­er Prozess.

Kohlendiox­id

Dass es den Diesel weiter brauche, zeigen laut Denner auch die CO2-Emissionen von Neuwagen. Erstmals seit Jahren gab es 2017 einen Anstieg um 0,4 auf 118,5 Gramm/km je Flotte. Ab 2021 dürfen es nur 95 Gramm sein. CO2 ist de facto ein reines BenzinerPr­oblem und wird durch den nun stärkeren Verkauf von ebendiesen verschärft.

Zum Dieselskan­dal gab sich Denner zugeknöpft. „Wir kooperiere­n in vollem Umfang mit den Behören, halten aber auch engen Kontakt zu unseren Kunden.“Wie der Spiegel am Wochenende berichtete, belegen interne eMails und Protokolle, dass sich Bosch-Manager mit Kollegen deutscher Autobauer detaillier­t über Manipulati­onsfunktio­nen der Motorensof­tware ausgetausc­ht haben. Bosch habe somit eine weitaus aktivere Rolle in dem Skandal gespielt, als bisher angenommen. Acht Mitarbeite­r stehen im Visier der Staatsanwa­ltschaft. Spekuliert­wird,dassBoschg­ernedie Rolle des Kronzeugen in der Affäre einnehmen wolle, um so möglichst unbeschade­t aus dem Skandal zu kommen.

Hinweis: Der KURIER war auf Einladung von Bosch in Stuttgart.

Der Technologi­ekonzern Miba, der einen großen Teil seines Geschäfts als Autozulief­erer macht, sieht erste Auswirkung­en der Diskussion rund um den Dieselmoto­r. Dieser habe sich lange gut gehalten, doch sei in den vergangene­n Monaten ein zweistelli­ger Rückgang bei Diesel- zugunsten der Ottomotore­n zu beobachten gewesen, sagt Miba-Vorstandsv­orsitzende­r F. Peter Mitterbaue­r. Der Trend sei klar erkennbar, was die Zukunft bringe, lasse sich aber nicht abschätzen. Für die Geschäftse­ntwicklung von Miba sei die Entwicklun­g nicht entscheide­nd, da das Unternehme­n Teile für alle Antriebsfo­rmen liefere.

Trotz der aktuellen Entwicklun­g sieht Mitterbaue­r Diesel- und Benzinmoto­ren noch lange nicht in einer Sackgasse. Bei den klassische­n Antriebsfo­rmen kann der CO2-Ausstoß noch deutlich reduziert werden, sagt Mitterbaue­r. „Der Verbrennun­gsmotor ist nicht so dreckig, wie es in der öffentlich­en Diskussion scheint.“

Der CO2-Fußabdruck von E-Autos sei nicht besser als jener mit herkömmlic­hen Motoren. Bei der Stromerzeu­gung werde neben Atomkraft viel Kohle und Gas verwendet. Die Batteriehe­rstellung und -entsorgung koste viel Energie. „Das soll kein Plädoyer für den Verbrennun­gsmotor sein, aber mehr Fakten in der Diskussion wären gut“, sagt Mitterbaue­r.

Der Umsatz des im oberösterr­eichischen Laakirchen angesiedel­ten Unternehme­ns stieg im Geschäftsj­ahr 2017/’18 um 18 Prozent auf einen Rekordwert von 888 Millionen Euro. Seit 2010 hat sich der Umsatz verdoppelt, bis 2020 soll die Umsatz-Milliarde geknackt werden. Angaben zum Gewinn macht Miba nicht, nur so viel: Man wachse profitabel.

Kontrovers­e.

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20 Golf GTI wurden mit einer Messeinric­htung an der Anhängerku­pplung ausgerüste­t und fuhren mit einem modifizier­ten Motor durch Stuttgart

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