Wie Bosch den Diesel retten will
Technologischer Durchbruch? Neue Motorkonfiguration soll Stickoxidausstoß massiv reduzieren Miba beobachtet zweistelligen Rückgang bei Dieselmotoren
Die Innenstadt von Stuttgart: Pkw-Kolonnen prägen das Bild, auch abseits von Stoßzeiten. Entsprechend schlecht ist die Luft, die Messstelle „Am Neckartor“, wo sich täglich 70.000 Fahrzeuge vorbeistauen, weist für das Vorjahr bei den Stickoxiden (NOx) den nach München zweithöchstenWert Deutschlands aus. Es drohen nun Strafzahlungen und Fahrverbote für ältere Dieselautos, die die Hauptschuld an den schlechten Werten tragen sollen. Am Neckartor führt auch die Teststrecke von 20 Golf GTI vorbei, die mit Bosch-Logo versehen sind undeineMessboxamAuspuff befestigt haben. Die auffälligen Autos sind seit geraumer Zeit unterwegs, um zu beweisen, dass hohe NOx-Werte beim Diesel kein Muss sind.
Der in Stuttgart beheimatete Technologiekonzern Bosch – selbst als Zulieferer in den Dieselskandal ver wickelt – will an der Antriebsart festhalten, viel mehr noch, er ist fast dazu gezwungen. Schließlich arbeiten mehr als 20.000 Mitarbeiter in der Dieselsparte. Entsprechend groß ist der Umsatzanteil. Daher hat Bosch einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in die Hand genommen und in den vergangenen zwei Jahren mit rund 100 Technikern an einem neuen Dieselmotor gearbeitet. „Die Ergebnisse können sich messen lassen“, so Vorstandschef Volkmar Denner, gestern, Mittwoch, anlässlich der Bilanzpräsentation. „Das Stickoxid-Problem ist lösbar.“
Konkret stößt der Golf auf der gesamten Teststrecke (die auch über Bundesstraßen und Autobahnen führt) unabhängig von Fahrstil und Außentemperatur im Durchschnitt nur 13 Milligramm NOx/km aus – rund ein Zehntel des ab 2020 geltenden Grenzwertes. In der Stadt alleine sind es 43 mg/km. Um das zu erreichen, wurden u.a. Einspritzsystem, Software und Partikelfilter verbessert. Keine weiteren Hardwarekomponenten seien notwendig. Details werden heute, Donnerstag, am Motorensymposium in Wien vorgestellt.
Laut Rolf Bulander, zuständiger Vorstand für Mobile Solutions, kostet die Modifizierung unter 100 Euro je Motor und ist sofort einsatzbereit – jedoch mit großen Einschränkungen. Der neue Motor kann weder in kleinere Autos unterhalb der Golfklasse eingebaut werden, noch eignet er sich zum Nachrüsten älterer Diesel. Und auch bei neuen Autos muss es erst eine technische Zertifizierung geben – ein langwieriger Prozess.
Kohlendioxid
Dass es den Diesel weiter brauche, zeigen laut Denner auch die CO2-Emissionen von Neuwagen. Erstmals seit Jahren gab es 2017 einen Anstieg um 0,4 auf 118,5 Gramm/km je Flotte. Ab 2021 dürfen es nur 95 Gramm sein. CO2 ist de facto ein reines BenzinerProblem und wird durch den nun stärkeren Verkauf von ebendiesen verschärft.
Zum Dieselskandal gab sich Denner zugeknöpft. „Wir kooperieren in vollem Umfang mit den Behören, halten aber auch engen Kontakt zu unseren Kunden.“Wie der Spiegel am Wochenende berichtete, belegen interne eMails und Protokolle, dass sich Bosch-Manager mit Kollegen deutscher Autobauer detailliert über Manipulationsfunktionen der Motorensoftware ausgetauscht haben. Bosch habe somit eine weitaus aktivere Rolle in dem Skandal gespielt, als bisher angenommen. Acht Mitarbeiter stehen im Visier der Staatsanwaltschaft. Spekuliertwird,dassBoschgernedie Rolle des Kronzeugen in der Affäre einnehmen wolle, um so möglichst unbeschadet aus dem Skandal zu kommen.
Hinweis: Der KURIER war auf Einladung von Bosch in Stuttgart.
Der Technologiekonzern Miba, der einen großen Teil seines Geschäfts als Autozulieferer macht, sieht erste Auswirkungen der Diskussion rund um den Dieselmotor. Dieser habe sich lange gut gehalten, doch sei in den vergangenen Monaten ein zweistelliger Rückgang bei Diesel- zugunsten der Ottomotoren zu beobachten gewesen, sagt Miba-Vorstandsvorsitzender F. Peter Mitterbauer. Der Trend sei klar erkennbar, was die Zukunft bringe, lasse sich aber nicht abschätzen. Für die Geschäftsentwicklung von Miba sei die Entwicklung nicht entscheidend, da das Unternehmen Teile für alle Antriebsformen liefere.
Trotz der aktuellen Entwicklung sieht Mitterbauer Diesel- und Benzinmotoren noch lange nicht in einer Sackgasse. Bei den klassischen Antriebsformen kann der CO2-Ausstoß noch deutlich reduziert werden, sagt Mitterbauer. „Der Verbrennungsmotor ist nicht so dreckig, wie es in der öffentlichen Diskussion scheint.“
Der CO2-Fußabdruck von E-Autos sei nicht besser als jener mit herkömmlichen Motoren. Bei der Stromerzeugung werde neben Atomkraft viel Kohle und Gas verwendet. Die Batterieherstellung und -entsorgung koste viel Energie. „Das soll kein Plädoyer für den Verbrennungsmotor sein, aber mehr Fakten in der Diskussion wären gut“, sagt Mitterbauer.
Der Umsatz des im oberösterreichischen Laakirchen angesiedelten Unternehmens stieg im Geschäftsjahr 2017/’18 um 18 Prozent auf einen Rekordwert von 888 Millionen Euro. Seit 2010 hat sich der Umsatz verdoppelt, bis 2020 soll die Umsatz-Milliarde geknackt werden. Angaben zum Gewinn macht Miba nicht, nur so viel: Man wachse profitabel.
Kontroverse.