Kurier

Der König von Marseille

Europa League. Salzburg wird in den Semifinal-Duellen Olympique-Kapitän Dimitri Payet bremsen müssen

- AUS MARSEILLE STEPHAN BLUMENSCHE­IN

„Er ist unser Schlüssels­pieler, er kann den Unterschie­d ausmachen“, sagt MarseilleT­rainer Rudi Garcia über seinen Star. „Er“, das ist Dimitri Payet, 31 Jahre alt und Kapitän des Semifinalg­egners der Salzburger.

Er kann nicht nur, er macht den Unterschie­d aus – nämlich dann, wenn er einen guten Tag erwischt. Dann sind seine Eckbälle extrem gefährlich, seine Freistöße unheimlich präzise und seine Sololäufe nur schwer zu stoppen.

Die Salzburger werden im heutigen Hinspiel (21.05 Uhr, live Puls4, Sky) im ausverkauf­ten Stade Vélodrome also auf der Hut sein müssen. Foulspiele in Strafraumn­ähe sollten genauso verhindert werden wie Eckbälle.

Einen guten Tag hatte Payet im Viertelfin­al-Rück- spiel gegen RB Leipzig. Ein Tor erzielte er selbst, an drei weiteren Treffern war er beteiligt. Und hätte sein Teamkolleg­e Konstantin­os Mitroglu nicht ein unnötiges Foul begangen, dann hätte Payets zweites Tor gezählt und Marseille den Red-Bull-Klub noch höher als 5:2 besiegt.

Im Dezember hatten die Salzburger schon mit dem Marseille-Regisseur zu tun. Doch es war ein kurzes Vergnügen: Beim 0:0 im letzten Gruppenspi­el kam Payet erst für die letzten 22 Minuten auf das Feld, nachdem er im ersten Spiel in Salzburg noch geschont worden war.

In der ersten Saisonhälf­te hatte Payet wiederholt muskuläre Probleme und lief seiner Form hinterher. Mittler weile ist er fit. Sieben Tore und 14 Assists allein im Jahr 2018 beweisen, dass der Offensivsp­ieler wieder zu seiner alter Stärke gefunden hat.

Geboren wurde Payet in Saint-Pierre auf Réunion, einem französisc­hen Übersee-Départemen­t im Indischen Ozean. Früh wurde sein großes Talent erkannt. Mit zwölf

Jahren holte ihn AC Le Havre in eine der besten und bekanntest­en Jugendakad­emien der Welt.

Aber glücklich war Payet im kühlen Norden Frankreich­s nie. Vier Jahre hielt er es in der Stadt am Ärmelkanal aus, dann ging er zurück nach Réunion. Schnell wurde der Offensiv-Allrounder zum Star der Insel-Liga.

Zweite Chance

Mit 17 bekam er noch eine Chance in Frankreich: 2004 holte ihn Nantes. Skepsis war bei der Verpflicht­ung dabei. Payet bekam zunächst nur einen Vertrag für die Reserve. Ein Jahr später unterzeich­nete er seinen ersten Profivertr­ag.

Aber auf eine gute Saison sollteimme­reineschwä­chere folgen – bei Nantes, bei StÉtienne oder Lille. Payet hatte den Ruf, ein schlampige­s Genie zu sein. Erstmals machte er in der Sai- son 2014/’15 auf sich aufmerksam – mit 21 Assists für Olympique Marseille in der Ligue 1.

Danach wagte Payet den Sprung nach England. In der Premier League wurde er zunächst zum Glücksgrif­f von West Ham. Dank des Franzosen spielten die Ostlondone­r eine der besten Saisonen ihrer 123-jährigen Geschichte. Payet erzielte zwölf Tore und bereitete 15 weitere vor. Und er erreichte 2015/’16 mit West Ham einen Europacup-Startplatz, ein seltenes Ereignis für die „Hammers“.

Mit seinem Siegestor im EM-Eröffnungs­spiel 2016 gegen Rumänien wurde er in der Fußballwel­t bekannt: Mit seinem schwächere­n linken Fuß traf er für Frankreich ins Kreuzeck. „Ich übe das oft im Training: Wenn ich sehe, dass ich den Ball auf meinen schwächere­n Fuß bekomme, lege ich ihn mir weiter vor. Das ist aufgegange­n“, erzählte er danach.

Für Frankreich­s damaligen Sportminis­ter war es mehr als nur ein Tor: „Das war eine Botschaft ans ganze Land. Mit seinen Tränen hat er letztlich gezeigt, wozu Frankreich fähig ist“, meinte Patrick Kanner, nachdem Payet bei seiner Auswechslu­ng wenige Minuten nach seinem Siegestor geweint hatte.

Mit zwei weiteren Toren und zwei Tor vorlagen war er einer der EM-Stars, auch wenn seine Leistungen im Laufe des Turniers nachließen. Trotzdem wurde Payet mit den ganz großen Klubs in Verbindung gebracht. Sogar von 80 bis100Mill­ionenEuroA­blöse wardieRede–unddasfürd­en damals schon 29-jährigen Franzosen.

Was folgte, war eine Schlammsch­lacht. Payet wollte West Ham verlassen, der Klub, der gerade ins riesige London Stadium umgezogen war und von der Champions League träumte, ließ ihn nicht ziehen. „Es gab viele Gründe, warum ich gehen wollte. Der Hauptgrund war aber die sportliche Entwicklun­g des Klubs. Ich sah meine Karriere in der Nationalel­f in Gefahr“, erklärte Payet sein Verhalten, das alles andere als profession­ell war.

Der Franzose spielte zwar im Herbst 2016 regelmäßig,abermehrsc­hlechtals recht. Die Flüge nach Marseille, wo seine Familie wieder lebte, nachdem sie sich in London nicht wohlgefühl­t hatte, wurden immer häufiger. Anfang Jänner 2017 kam es zum Eklat: Payet trat in einen Trainingss­treik und erklärte, nie wieder für West Ham spielen zu wollen.

Unschöner Abgang

Der Klub suspendier­te ihn, die Fans reagierten erbost. Auf Payet-Trikots wurde gespuckt, in den sozialen Netzwerken brach ein Shitstorm aus, ein Stein flog durch eine Scheibe seines Wagens. Ein Verbleib bei West Ham war unmöglich geworden.

Der Streit dauerte Wochen, erst Ende Jänner durfte Payet nach Frankreich zurückkehr­en. Marseille bezahlte 30 Millionen Euro Ablöse und damit das Doppelte jener Summe, die man eineinhalb Jahre zuvor von West Ham bekommen hatte. Seinen Platz in Frankreich­s Nationalte­am hat er trotzdem vorerst einmal verloren. Momentan gehört Dimitri Payet nicht zum erweiterte­n Kader für die Weltmeiste­rschaft in Russland – und das trotz seiner Hochform.

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