Kurier

Chinesen-Mafia: Später Prozess um Doppelmord

Vor 18 Jahren. Geschworen­e sprechen angebliche­n Mittäter frei, Richter setzen Urteil aus.

- VON RICARDO PEYERL

Mit einem grausamen Doppelmord im Dunstkreis der Chinesen-Mafia, der sich vor 18 Jahren ereignet hatte, musste sich am Mittwoch ein Wiener Geschworen­engericht auseinande­rsetzen. Im August 2000 waren ein in Ungnade gefallenes Mitglied der auf Menschenha­ndel spezialisi­erten Bande „Snake Heads“sowie dessen Freundin verschlepp­t und getötet worden.

Der Bandenchef hatte den Auftrag zum Doppelmord gegeben, dafür 10.000 Dollar Belohnung in Aussicht gestellt und angeord- net, die Killer sollten „sauber“arbeiten. Das Wort „sauber“ist in doppeltem Sinn unpassend: Das Paar wurde nach Mafia-Manier mit einem Hackbeil regelrecht geköpft. Und man vergaß die Handtasche der Frau am Tatort, die schließlic­h zu der Bande führte.

Geflüchtet

Der Auftraggeb­er brachte sich nach seiner Festnahme in der Justizanst­alt Josefstadt selbst um. Drei Täter blieben bis heute unbekannt. Einer wurde zu lebenslang­er Haft verurteilt, flüchtete aber nach 16 Jahren bei einem Freigang. Zwei Killer wurden verurteilt und sind inzwischen längst frei. Und nun ist ein damals 18-Jähriger angeklagt, der seinerzeit als Dolmetsche­r angeheuert worden war, dann aber an der Ermordung der 19-jährigen Frau beteiligt gewesen sein soll.

Er fuhr im Auto mit, als man sie nach Leobersdor­f, NÖ, brachte, fesselte sie auf Ge- heiß der Mittäter, bevor sie aus dem Auto in ein Gebüsch gezerrt wurde. Dass man sie dort umbrachte, will er erst am nächsten Tag in der Zeitung gelesen haben. In Panik flüchtete er, änderte seinen Namen, versteckte sich in China, Italien und Deutschlan­d, wo er zuletzt als Restaurant­leiter arbeitete. Als ihn Jahre später – inzwischen Vater zweier Kinder – ein Mittäter bei einem Begräbnis wiedererka­nnte, verriet ihn dieser bei der Polizei. Der Chinese wurde mit internatio­nalem Haftbefehl am Flughafen München verhaftet, nachdem er aus Schanghai kommend eingereist war, und nach Österreich ausgeliefe­rt.

„Ich musste mitmachen“, sagt der 36-Jährige vor Gericht. Man habe ihm angedroht, ihn sonst „grün und blau zu prügeln“. Er habe den Landsleute­n nicht zugetraut, dass sie der Frau etwas ganz Schlimmes antun. Er habe gedacht, es gehe nur darum, sie zu erschrecke­n, weil sie und ihr Freund der Bande angeblich Geld schuldig gewesen seien.

„Er war in gar nichts eingeweiht“, sagt Verteidige­r Niko Rast und fragt die Geschworen­en: „Schaut so ein chinesisch­er Mafioso aus?“Die Geschworen­en verneinen und fällen einen Freispruch, die Berufsrich­ter setzen das Urteil aus (wie es in jüngster Zeit häufig vorkommt). Der Prozess muss mit neuen Laienricht­ern wiederholt werden.

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Der Angeklagte (mit Verteidige­r Rast) will bei dem Mord an der Frau nicht geholfen haben

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