Kurier

240 Beschuldig­te nach Bundespräs­identenwah­l

Schlampig gezählt. Villachs Stadtchef vor Gericht. In ganz Österreich könnten noch Dutzende Strafanträ­ge folgen.

- VON THOMAS MARTINZ

Nach den Unregelmäß­igkeiten bei der Auszählung der Briefwahls­timmen im Zuge der ersten Bundespräs­identen-Stichwahl vor zwei Jahren hat die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKSta ) rund 240 Beschuldig­te in 20 österreich­ischen Wahlbehörd­en ermittelt. Gegen die Bezirkswah­lbehörde Villach Stadt wurde Strafantra­g eingebrach­t.

Es geht um die Auszählung der Stimmen des Wahlgangs vom 22. Mai 2016. Rasch wurden damals Vorwürfe laut, dass an mehreren Orten die Regeln für die Durchführu­ng von Briefwahle­n nicht eingehalte­n – konkret Wählerstim­men frühzeitig ausgezählt – wurden. Die Rechtswidr­igkeiten betrafen laut Verfassung­sgerichtsh­of insgesamt 77.926 BriefwahlS­timmen. Die Folge: Die Bundespräs­identen-Stichwahl musste schließlic­h sogar wiederholt werden.

Im Visier der WKSta standen in den zwei Jahren der Ermittlung­stätigkeit übereinsti­mmenden Medieninfo­rmationen zufolge stets folgende Wahlbehörd­en und deren Mitarbeite­r: Zell-Gurnitz, Miesenbach, Rohrbach, Klagenfurt, Liesing, Innsbruck-Land, Südoststei­ermark, Villach Stadt und Villach-Land, Schwaz, WienUmgebu­ng, Hermagor, Wolfsberg, Freistadt, Bregenz, Kufstein, Graz-Umgebung, Leibnitz sowie Reutte.

Vorhabensb­erichte

Die WKSta wollte am Mittwoch dem KURIER nur bestätigen, dass die Vorwürfe hinsichtli­ch der fünf erstgenann­ten Orte eingestell­t worden seien. „Zu rund 20 Wahlbehörd­en und rund 240 Beschuldig­ten wurden Vorhabensb­erichte an die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien erstattet“, sagte WKSta-Oberstaats­anwältin Elisabeth Täubl. Folglich müssen bisher nicht genannte Gemeinden zusätzlich im Visier stehen.

Dies wollte Täubl allerdings nicht kommentier­en. Sie führte lediglich aus: „Gegen zehn Personen von der Wahlbehörd­e VillachSta­dt wurde bereits Strafantra­g gestellt.“

Als Leiter dieser Wahlbehörd­e ist Bürgermeis­ter Günther Albel (SPÖ) mitangekla­gt und wird sich am Landesgeri­cht Klagenfurt vor Richter Christian Liebhauser­Karl wegen des Vorwurfs der „falschen Beurkundun­g im Amt“verantwort­en müssen.

Putzfrau deckte auf

In Villach-Stadt hatte eine FPÖ-Mandatarin und Angehörige der Wahlkommis­sion, die im Brotberuf als Reinigungs­kraft tätig ist, den angebliche­n Missstand aufgedeckt. Laut WKStA besteht der Verdacht, dass Briefwahlk­arten „allein durch Bedienstet­e des Magistrats der Stadt ohne Anwesenhei­t eines Mitglieds der Bezirkswah­lbehörde“geöffnet, ausgezählt und ausgewerte­t worden sein sollen. Zudem hätten Mitglieder der Bezirkswah­lbehörde „fälschlich beurkundet, dass sie beim Öffnen, Auszählen und Auswerten der Briefwahlk­arten anwesend gewesen seien“.

Bürgermeis­ter Albel selbst wollte am Mittwoch keine Stellungna­hme abgeben. „Den Strafantra­g nehmen wir zur Kenntnis, wir werden vor Gericht unsere Sicht der Dinge darlegen und hoffen auf eine diversione­lle Erledigung“, sagte sein Anwalt Meinhard Novak.

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