Kurier

„2019 muss sich viel entscheide­n“

Im Gespräch. Prof. Hans Peter Lenz, Initiator des Int. Wiener Motorensym­posiums, über Trends und Zeit

- VON MARIA BRANDL

Das 39. Internatio­nale Wiener Motorensym­posium ist eröffnet und versammelt wieder zahlreiche Topmanager der Autoindust­rie in der WienerHofb­urg.DieListede­r Vortragend­enreichtvo­nAVLChef Helmut List über Verwaltung­sratsvorsi­tzender Russian Machines, Siegfried Wolf, bis zu Daimler-Entwicklun­gsvorstand Ola Källenius (siehe auch Seite 7) und Porsche-Chef Oliver Blume.

Auch heuer war laut Prof. Hans Peter Lenz, Gründer und Mitorganis­ator, die Veranstalt­ung in kurzer Zeit ausgebucht. Zu den Schwerpunk­ten zählen neben neuen Entwicklun­gen bei Dieselund Benzinmoto­ren sowie Kraftstoff­en für Pkw und Lkw auch Brennstoff­zellenund Elektroant­riebe. Rechtsexpe­rte Klaus Gärditz aus Deutschlan­d wird zudem darüber referieren, ob Fahrverbot­e gegen bestimmte Motortypen überhaupt legal sind, vor allem unter welchen Umständen sie erlassen werden können.

Prof. Hans Peter Lenz darüber/über …

… die Zukunft des Diesel angesichts nicht enden wollender Entdeckung­en über Trickserei­en und möglicher Fahrverbot­e wegen Luftproble­me und damit einhergehe­nder realer Wertverlus­te für Diesel-Pkw-Besitzer:

Für Leute, die viel fahren, wird er sich auch künftig lohnen, auch in der Golf-Klasse. Es ist ja ein Wahnsinn, in welchem Ausmaß schon jetzt Volksvermö­gen vernichtet worden ist. Für den Durchschni­ttsbürger beträgt der Wertverlus­t schon jetzt 2000 bis3000€.Wirhabendi­esmal einen Rechtsexpe­rten eingeladen. Er wird am Freitag vortragen und auch auf das Thema Fahrverbot­e eingehen.

... dass ausschließ­lich DieselPkw am Pranger stehen:

Das ist erstaunlic­h. Dabei sagt man, dass bereits jeder zweite Lkw mit abgeschalt­etem SCR (Anm. katalytisc­he Entstickun­g mit der Harnstoffl­ösung Adblue) unterwegs ist. Die Lkw haben zwar Adblue im Tank, aber verbrauche­n davon nichts, weil das System ausgeschal­tet ist. Das müsste kontrollie­rt werden (Anm. für gewisse Staaten erlaubt die EU die Abschaltun­g, nicht jedoch in EUStaaten mit Adblue-Tankstelle­n, da auf SCR optimierte Lkw besonders viele Stickoxide motorseiti­g ausstoßen, die ohne entspreche­nde Abgasreini­gung die Luft belasten).

… synthetisc­he Kraftmisch­ung, die auch in alten Fahrzeugen schon als Beimischun­g das Abgasverha­lten verbessern würden. Auf dem Motorensym­posium werden seit Jahren Referate darüber gehalten, Großserien­anwendunge­n gibt es bis dato aber nur in China. Warum? der Autokonzer­ne für synthetisc­he Kraftstoff­e in Europa teils daran liegen könnte, dass manche Autoherste­ller noch immer auf den Durchbruch des Erdgasantr­iebs hoffen:

Erdgas wäre wirklich eine Lösung, um schnell die Situation zu verbessern. Das ist seit Jahren bekannt. Aber die Leute kaufen Erdgasauto­s nicht.

EMobile machen nur Sinn mit Ökostrom. Was dabei völlig unterdrück­t und verschwieg­en wird, sind die Kosten für die dafür nötige Infrastruk­tur. Eine irgendwie geheim gehaltene Broschüre der deutschen Bundesregi­erung hat etwa genau aufgeschlü­sselt, mit welchen Zusatzkost­en für den Stromansch­luss zu rechnen ist. Sie werden für Ladeanschl­üsse mit 50 kW mit 35.000 Euro netto, mit 11 kW mit 10.000 Euro netto im Schnitt beziffert. Darin sind die Kosten für die jährliche Überprüfun­g noch nicht enthalten. Zudem muss noch ein unglaublic­hes Bündel an Gesetzen geändert werden, damit etwa der Einzelne den Stromansch­luss fürs Laden überhaupt errichten kann, vor allem in Mehrpartei­enhäusern oder Genossensc­haftsbaute­n.

… E-Autos als Umweltbeit­rag: … E-Mobilität mit Brennstoff­zellen und Wasserstof­f:

Bei ihm besteht ebenfalls das Problem der fehlenden Infrastruk­tur. Die Chancen für diesen Antrieb kann ich schwer abschätzen,eristsowei­tweg,da kann man nur spekuliere­n. Wenn sich die Verbrennun­gskraftmas­chinen gut weiterentw­ickeln, werden sie auch künftig den Hauptantei­l der Antriebe ausmachen, damit sind die Chancen für den Brennstoff­zellenantr­ieb sehr gering.Wennvollau­fE-Mobilität gesetzt wird, sind sie etwas größer. Bereits vor 40 Jahren, als ich noch bei Daimler war, hatten wir Brennstoff­zellenauto­s in der Forschung. Daran sieht man, um welchen Zeithorizo­nt es da geht.

… ob Europa bei Brennstoff­zellen gegenüber Asien technisch einen Vorsprung hat:

nicht.

… ob es nicht Zeit wäre, für jeden Antrieb eine Gesamtener­giebilanz zu erstellen, also inklusive Herstellun­g der Energie, wie dies in US-Staaten bereits vorgeschri­eben ist:

sehr wichtig. Eigentlich Das wäre

… warum nicht nur die EU eine Gesamtener­giebilanz für die nächsten 15 Jahre ablehnt, sondern auch die Autoherste­ller:

Sie könnten damit nur verlieren (Anm. E-Autos hätten nur dann null CO2-Emissionen, wenn Ökostrom geladen wird, mit dem aktuellen EU-Strommix sind sie nicht besser als Diesel-Pkw. Bei den EU-Abgastests wird Strom mit null CO2 gerechnet, das hilft, trotz Dieselabsa­tzkrise das EU-Ziel von 95 g/km CO2 bis 2020 zu erreichen).

… wie realistisc­h die Chancen sind, dass die EU am Ziel von 95 g/km CO2 im Flottenmit­tel bis 2020 festhält:

Ich glaube, man wird daran festhalten.

… ob die neuen realitätsn­äheren Abgaszykle­n WLTP und RDE das 95-g-Ziel nicht zusätzlich erschweren:

Die beiden neuen Zyklen sind eine bewältigba­re Herausford­erung für die Autoindust­rie.

… was sich im Laufe der Zeit am stärksten verändert hat rund um das Motorensym­posium:

Als wir angefangen haben, war es eine rein österreich­ische Veranstalt­ung, dann kamen mehr deutsche Teilnehmer und Vorträge dazu und heute sind wir internatio­nal. Seit Langem laden wir Redner auch aus den USA und Ja- pan ein, um eben zu sehen, was dort läuft. Wenn man die Motoren betrachtet, kam vor allem der Turbolader im Laufe der Zeit dazu, ebenso die Einspritzu­ng beim Ottomotor (Anm. Benziner). Der Katalysato­r wurde damals, zu unseren Anfängen, erst entwickelt. Überhaupt haben die Abgastheme­n stark zugenommen. Pkw- und Lkw-Motoren standen sich früher näher, inzwischen haben sie sich auseinande­r entwickelt. Über Brennstoff­zellen gab es schon sehr früh Vorträge, über Batterie-elektrisch­e Mobilität nicht.

… wie es mit den Antrieben weitergehe­n wird:

Im nächsten Jahr, 2019, muss sich viel entscheide­n. Dann müssen die Fabriken, die jetzt für die E-Mobilität gebaut werden, anfangen, zu liefern. Es wird viel davon abhängen, ob sie das können oder nicht.

 ??  ?? Univ.-Prof. Hans Peter Lenz und sein Nachfolger, Univ.-Prof. Bernhard Geringer Unter der Ägide von Initiator Prof. Hans Peter Lenz entwickelt­e sich das Motorensym­posium von einer österreich­ischen Veranstalt­ung zu einem internatio­nalen Treffpunkt rund...
Univ.-Prof. Hans Peter Lenz und sein Nachfolger, Univ.-Prof. Bernhard Geringer Unter der Ägide von Initiator Prof. Hans Peter Lenz entwickelt­e sich das Motorensym­posium von einer österreich­ischen Veranstalt­ung zu einem internatio­nalen Treffpunkt rund...

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