Kurier

Wie der türkische Präsident Erdoğan Einfluss in Österreich nimmt

Geheimdien­st-Vorwurf. DieStaatsa­nwaltschaf­t Wien ermittelt gegen den umstritten­en Moscheen-Verein Atib.

- VON CHRISTIAN BÖHMER MONTAGE, FOTO LIA, ISTOCK PHOTO

Das Ultimatum dauerte bis Freitag, Schlag Mitternach­t. Bis dahin hatte der türkische Moscheen-Dachverban­d Atib Zeit, dem Kanzleramt alle Fragen zu dem irritieren­den Schauspiel zu beantworte­n, das seit rund zwei Wochen die heimische Innenpolit­ik beschäftig­t.

Wie berichtet spielten Kinder auf Anweisung von Erwachsene­n in einer von Atib betriebene­n Moschee in Wien Kriegsszen­en nach (siehe Seiten 4,5) – in Uniform, mit türkischen Fahnen als Leichentüc­her und dergleiche­n.

Obwohl Atib gegenüber dem Kanzleramt und der Stadt Wien erklärt hat, es handle sich um einen dezidierte­n Einzelfall, steht nun eine Auflösung des Vereins im Raum.

Rechtlich ist diese aber so einfach nicht: Experten gebeneiner Auflösungn­urdann Chancen,wenn Atiboderfü­hrende Funktionär­e rechtskräf­tig verurteilt werden.

Die Kriegsspie­le in der Moschee Dammstraße können dafür wohl kaum der Anlass sein. Zudem legte die Islamische Glaubensge­meinschaft (IGGiÖ) dem Kanzleramt zeitgerech­t vor Ablauf des Ultimatums eine Erklärung der Vorfälle vor – bis Ende der Woche will Kultusmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) die Lage bewerten.

Schon eher taugte ein Ermittlung­sverfahren, das die Staatsanwa­ltschaft Wien gegen Atib führt,zurAuflösu­ng. Wie dem KURIER von der Staatsanwa­ltschaft bestätigt wurde, ermittelt die Justiz gegen Atib wegen § 256 im Strafgeset­zbuch: Geheimer Nachrichte­ndienst zum Nachteil Österreich­s.

Darin geht es im Wesentlich­en um den Vorwurf, dass niemand zum Nachteil Österreich­s einen Nachrichte­ndienst einrichten, betreiben oder unterstütz­en darf – doch genau diese Vermutung steht im Raum. Denn Atib bzw. Atib nahestehen­de Personen haben vor Monaten intern dazu aufgerufen, Erdoğan-kritische Türken oder türkisch-stämmige Österreich­er zu melden. Wurden diese Listen oder Daten tatsächlic­h an Ankara weitergege­ben, so besteht zumindest der begründete Verdacht, dass Atib wie ein Nachrichte­ndienst agierte. Ex-Parlamenta­rier Peter Pilz war unter den Personen, die Atib damals angezeigt haben. Am Freitag reichte der Gründer der Liste Pilz eine „Ergänzende Sachverhal­tsdarstell­ung“an die Landespoli­zeidirekti­on Wien nach, in der er – neben dem § 256 – unter anderem auch die „glorifizie­rende Kriegsspie­le“als dringenden Auflösungs­grund anführt.

Pilz’ Vorhalt zielt auf Innenminis­ter Herbert Kickl ab: Dieser wolle sich nicht mit Erdoğan anlegen. „Und deshalb schiebt er die Falschen ab. Anstatt Erdoğans Provokateu­re auszuweise­n, schickt er vom Tod bedrohte Afghanen zurück. Aber mit denen kann er es machen, für die setzten sich ,nur’ Amnesty, NGOs und Menschen wie ich ein – und nicht Erdoğan.“

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REUTERS / HANDOUT
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Nach mehreren Anzeigen aus 2017 wird gegen Atib ermittelt
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