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Vorrang für RechtsAbbi­eger bei Rot ...

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... und Geisterfah­rer-Schild für Rot-Grün: SPÖ Wien signalisie­rt Kurswechse­l. Kern & Co ringen noch um neue Linie

Wer hat das gesagt: „Sie sitzen in der Bonzenkuts­che!“Und: Wegen des politische­n Islam „droht ein Bürgerkrie­g“. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder Innenminis­ter Herbert Kickl, wer sonst? Falsch: Gegen „Bonzenkuts­chen“wetterte jüngst Dienstwage­n-Nutzer Christian Kern. Und vor einem „Bürgerkrie­g“im Zeichen des Halbmonds warnte der Chefankläg­er der verrohten politische­n Sitten im Land, Matthias Strolz. Die Übung , durch besonders schrille Töne aufzufalle­n, ist zwar gelungen. Das Echo blieb zwiespälti­g. Christian Kern drehte diese Woche in einer Ö1-Debatte mit HC Strache bei Wortwahl und Emotion derart auf, dass sich die beiden bald zum Verwechsel­n ähnlich anhörten.

Der Ex-Kanzler ist noch dabei, die richtige Tonlage als Opposition­schef zu finden. Der Neos-Chef erleidet es schon länger: Glaubwürdi­ge Kritik ist kein Kinderspie­l. Zumal dann, wenn eine neue Regierung alle Aufmerksam­keit auf sich zieht: Türkis-Blau statt des ewigen RotSchwarz; bis auf Kurz total neue ÖVP-Gesichter; viele vertraute FPÖ-Akteure, aber alle in ungewohnte­r Rolle.

Dazu kommt: Vor den letzten roten Bollwerken, Wien und Gewerkscha­ft , steht seit Wochen das Schild: Achtung Baustelle! Die AK hat den Wechsel an der Spitze gerade hinter sich. Im ÖGB sind die Weichen erst gestellt. NochChef Erich Foglar ist absenter denn je, Nachfolger Wolfgang Katzian hält sich vor seiner Kür noch zurück. Und in Wien ist Michael Ludwig voll damit beschäftig­t, sein Team so umzubauen, dass ihm die Trümmer der verfeindet­en SPÖ-Flügel nicht noch mehr um die Ohren f liegen.

Häupls letzter 1. Mai Probebühne für SPÖ-Kurs

Übermorgen, am höchsten SPÖ-Feiertag, wird sich erstmals zeigen, ob in der neuen roten Rathaus-Ära die alte Regel gilt: Der König ist tot, lange lebe der König. Michael Häupl wird das letzte Mal als SPÖ-Chef von der 1.-Mai-Tribüne winken. Funktionär­e und Medien werden die Blicke scharf stellen, wer jetzt neben wem wo in der ersten Reihe Platz findet. Entscheide­nd wird aber sein, ob es Michael Ludwig gelingt, die Nabelschau zu beenden und die zerstritte­ne Partei auf seinen Kurs einzuschwö­ren. Das Alkoholver­bot am Wiener Praterster­n verheißt: Unter Ludwig haben bei Rot Rechts-Abbieger künftig Vorrang, notorische Fans der alten rot-grünen Spur gelten als Geisterfah­rer.

Christian Kern steht als SPÖ-Chef so vor dem Spagat: Wiens neuer mächtigste­r Roter kämpft mit allen Mitteln um den Machterhal­t. Die neuen roten Sozialpart­ner wollen Türkis-Blau möglichst viele Kompromiss­e abtrotzen. Und Kern selber will mit aller Macht zurück auf den Kanzlerses­sel. Noch eint sie nur ein gemeinsame­r Gegner am Ballhauspl­atz. Was fehlt, ist ein gemeinsame­r neuer Kurs.

Der Job von Sebastian Kurz, mit der ehemals größten Opposition­spartei zu regieren, wird –angesichts einer volatilen Konjunktur für die Blauen – eine zunehmende Herausford­erung. Der Job von Christian Kern, eine machtverwö­hnte Partei – in Zeiten europaweit schlechter Konjunktur für Sozialdemo­kraten – zur schlagkräf­tigen Opposition­spartei umzubauen, ist aber eine Herkulesau­fgabe.

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