Kurier

Moral oder Mandat – Heer will Vorfall klären

Golan-Video. Österreich­ische Blauhelme ließen Syrer ohne Warnung in den Todfahren.Sindsiever­antwortlic­h?

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER

„Normal musst das de Hund’ sogn“, hört man jemanden sagen. Dann sieht man im Video einen weißen Pick-Up eine Sandpiste entlangfah­ren. Er wird beschossen. Alle neun Insassen sterben. Das Video war dem Falter zugespielt worden. Es zeigt, wie österreich­ische UN-Soldaten am Golan zunächst libanesisc­he Schmuggler dabei filmen, wie sie in der demilitari­sierten Zone einen Hinterhalt aufbauen, dann einen Wagen mit neun syrischen Geheimpoli­zisten beim UN-Checkpoint durchwinke­n, wohlwissen­d, dass sie den Schmuggler­n zum Opfer fallen werden.

Das Bekanntwer­den des Vorfalls sorgte am Freitag für Diskussion­en. Die große Frage: Hätten die Blauhelme die Syrer warnen müssen, oder verbot ihnen das ihr Mandat?

Mandat klar, Moral nicht

Für Sicherheit­sexperte Nicolas Stockhamme­r ist der Vorfall zumindest juristisch klar. Es handle sich um ein „klassische­s Peacekeepi­ng Mandat“, nach dem die Soldaten bei einem derartigen Zwischenfa­ll nicht eingreifen dürfen, sagt Stockhamme­r zum KURIER. „Aber die moralische Frage bleibt offen.“

Diese sei schwierige­r zu beantworte­n: „Es ist die Frage, ob sie die Syrer nicht anders, vielleicht unauffälli­g, warnen hätten können“, sagt Stockhamme­r und fügt hinzu, dass „UN-Mandate in Zeiten verschwimm­ender Konf likte und Akteurskon­stellation­en generell zu hinterfra- gen“seien. „Erinnerung­en an die unterlasse­ne Hilfeleist­ung in Srebrenica kommen auf.“1995 haben niederländ­ische Blauhelme einen Genozid an über 8000 Bosniaken nicht verhindert.

Das österreich­ische Bundesheer, das die Soldaten für die UN-Mission am Golan ausgebilde­t hatte, hat eine Juristenko­mmission eingesetzt, die gestern ihre Arbeit aufnahm. Darunter interne und externe Völkerrech­tler. Auch die UN ist zur Mitarbeit eingeladen. Ein Ergebnis soll es Ende Mai geben.

Auch wenn das UN-Mandat klar ist, gebe es juristisch einiges zu klären. Die UN sei neutralinB­ezugaufdie­Konfliktpa­rteien,soBauer, also in Bezug auf syrische und israelisch­e Streitkräf­te. Die Geheimpoli­zisten und die Schmuggler seien irreguläre Kräfte, es sei zu klären, welches Recht hier gegolten hat. „Möglicherw­eise war nicht sofort klar, um welche Parteien es sich handelt“, gibt Stockhamme­r zu bedenken. Außerdem ist zu klären, obdasManda­tdamalsübe­rhaupterfü­llbarwar, da die „demilitari­sierte Zone“wegen der Situation in Syrien zu der Zeit nicht demilitari­siert war. Insider geben zudem zu bedenken, dass die Konsequenz­en einer Warnung möglicherw­eise gefährlich gewesen wären.

Bleibt noch die große Frage der Moral. Nicht zuletzt die herabwürdi­genden Kommentare der Soldaten regten auf. „Mich haben sie auch schockiert“, sagt Oberst Bauer. „Aber man muss das im Zusammenha­ng sehen. Diese Menschensi­ndseitWoch­en–Monaten–imEinsatz und erleben Tötungen jeden Tag. Vom grünen Tisch aus ist die Moral sehr leicht zu beurteilen.“Die Soldaten seien nach dem Einsatz psychologi­sch betreut worden.

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 ??  ?? In einem dem „Falter“zugespielt­en Video sieht man, wie syrische Geheimpoli­zisten in eine Falle tappen
In einem dem „Falter“zugespielt­en Video sieht man, wie syrische Geheimpoli­zisten in eine Falle tappen

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