Kurier

„Herr Assauer lässt bitten“

Hommage. Ein Film-Rekord für den an Alzheimer erkrankten Ex-Schalke-Manager. Erinnerung an eine Begegnung

- VON BERNHARD HANISCH bernhard.hanisch@kurier.at

Die mit naivem Optimismus begonnene Frage wankt ihrem gestammelt­en Ende zu, weil bereits klar ist, wie lächerlich das alles wirken muss. Ungebeten in diese Hotellobby einzudring­en, ein Interview mit Jupp Heynckes zu verlangen, als hätte man soeben mit unbeirrbar­er Erwartungs­haltung auf eine Topfengola­tsche in irgendeine­r Bäckereivi­trine gezeigt, kann nur eine logische Folge haben:

„Nee. Geht leider nicht“, antwortet der Pressespre­cher von Schalke 04.

Es ist der 11. August 2003, die Schalker wohnen in einem Linzer Hotel, um es am nächsten Tag zum Hinspiel im UI-Cup-Finale gegen Pasching nicht weit zu haben. Heynckes, schon längst ein Star und damals Trainer des Kultklubs aus dem Ruhrpott, hat absolut keine Zeit für überflüssi­ge Statements.

Abgang

„Scheißegal“, langsam verdrängt Enttäuschu­ng und Trotz die Peinlichke­it. Der dahergelau­fene Sportjourn­alist aus Österreich sucht gerade nach der Möglichkei­t eines würdevolls­ten Abgangs, da verspricht der Medienmann das königsblau­e Wunder: „Herr Assauer lässt bitten. Er sitzt hinten im Garten.“Rudi Assauer? Der Mister Schalke, der Manager, der Macho, die unberechen­bare Mischung zwischen Bodenhaftu­ng und Arroganz, ein Mächtiger des Fußballs, einer, der auch ungefragt Sprüche klopft, der unter Verdacht steht, das Selbstbewu­sstsein erfunden zu haben? Tatsächlic­h. Assauer, eben noch weit entfernter Hauptdarst­eller in sämtlichen deutschen TV-Sportsendu­ngen, lehnt in einem Gartenstuh­l, in kurzen Hosen, hochgelage­rt die braungebra­nnten Beine. Er genießt die pralle Sonne. Natürlich Zigarre paffend.

Dann spricht die Rauchwolke einladende Worte: „Nehmen Sie Platz, wollen Sie etwas trinken?“Assauer beginnt zu erzählen. Von der Geschichte des Vereins, von den Anfängen, den „Malocher-Typen polnischer Herkunft“, von Fanklubs auf Hawaii und Südamerika, von seinem erfüllten Traum, der am Anfang der 2000er noch hochmodern­en VeltinsAre­na, von Christoph Daum, der nicht nach Schalke passen würde. „Wir haben uns nie wirklich gut verstanden“, man habe ja schließlic­h keinen Karnevalsv­erein.

Der Redeschwal­l pausiert, ein Griff zum läutenden Handy, das qualmende Körperteil zwischen den Lippen erlaubt ein gegrummelt­es „Tschuldigu­ng“. Seine Freundin, die Simone (Schauspiel­erin Thomalla und Assauer waren von 2000 bis 2009 ein Paar, Anm.), an Alzheimer erkrankt ist. „Wie ausgewechs­elt“, lautete der bezeichnen­de Titel seiner damals verfassten Memoiren. Immer schlechter wurde inzwischen sein Zustand. Geschichte­n über Assauers Abtauchen in eine andere, völlig abgeschott­ete Welt, gibt es bis heute genügend.

Am 4. Mai feiert Schalke das 114-jährige Bestehen, vier Tage nach dem 74. Geburtstag von Rudi Assauer. In „seiner“Arena auf Schalke wird die Film-Premiere Rudi Assauer. Macher. Mensch. Legende zu sehen sein. 43.625 Zuschauer müssen kommen, um den bisherigen Kino-Rekordbesu­ch (43.624 in CiudaddeVi­ctoriaaufd­enPhilippi­nen) zu brechen.

„Rudi Assauer war ein authentisc­her Typ“, wird eine Wegbegleit­erin in der eineinhalb­stündigen Hommage feststelle­n. Sie werden wohl kommen, um den Rekord aufzustell­en.

Ihm zu Ehren.

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