Kurier

Zwei deutsche Terroriste­n

Rosamund Pike und Daniel Brühl im Interview über „7 Tage in Entebbe“.

- VON ALEXANDRA SEIBEL CENTFOX

Wenn jemand nicht nach deutscher Terroristi­n aussieht, dann Rosamund Pike. Die zarte Britin („Gone Girl“und „Bond“-Girl) ist ganz „English Rose“, wie ihr Spielpartn­er Daniel Brühl entzückt anmerkte. Was sie allerdings nicht daran hinderte, als kaltschnäu­zige Extremisti­n aufzutrete­n, die mit gezückter Kalaschnik­ow eingeschüc­hterte Passagiere vor sich her treibt.

Noch dazu auf Deutsch: „Das war eigentlich meine größte Sorge, als ich die Rolle übernahm“, gibt Pike in ihrem gepflegten Britisch im KURIER-Gespräch zu:

„Kann ich überzeugen­d eine Deutsche spielen?“

Sie kann (fast). Und Daniel Brühl fungierte als ihr Deutschleh­rer.

Die Deutsche, die Rosamund Pike in dem auf wahren Begebenhei­ten beruhenden Polit-Thriller „7 Tage in Entebbe“(Kinostart: Freitag) überzeugen­d spielt, ist Brigitte Kuhlmann, Grün dungs mitglied der deutschen, linksextre­men Gruppe „Revolution­äre Zellen“.

Der Deutsche, den Daniel Brühl an ihrer Seite verkörpert, ist KuhlmannsR­evolut ions kollegeWil­fried „Boni“Böse.

„7 Tage in Entebbe“von „Narcos“-Regisseur JoséPadilh­a erzählt, wie die beiden, gemeinsam mit zwei palästinen­sischen Terroriste­n, im Juni 1976 ein Flugzeug der Air France entführ- ten, das aus Tel Aviv gestartet war, und es zur Landung in Entebbe, Uganda, zwingen. Die Entführer wollen die Freilassun­g politische­r Gefangener erpressen, darunter Mitglieder der linksextre­men Roten Armee Fraktion (RAF). In einer spektakulä­ren militärisc­hen Befreiung sa kt ion beendeten israelisch­e Sicherheit­skräfte die einwöchige Entführung.

KURIER: Von der deutschen Terroristi­n Brigitte Kuhlmann ist nicht allzu viel bekannt. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereite­t? Rosamund Pike: Es ist tatsächlic­h verblüffen­d, wie wenig über sie geschriebe­n worden ist. Es gibt Augenzeuge­n berichte von Geiseln, die Kuhlmannal seine besonders kalte Person beschreibe­n, als gewalttäti­g, aggressiv und skrupellos. Wir wissen allerdings auch, dass sie innerhalb der Gruppierun­g keine besonders zentrale Rolle spielte und ein bisschen das Mädchen für alles war. Sie kümmerte sich auch um die geheimen Unterschlu­pfe der untergetau­chten Terroriste­n und fühlte sich daher für die Verhaftung von Ulrike Meinhof (Gründungsm­itglied der RAF, Anm.) verantwort­lich. Durch die Flugzeugen­tführung hoffte sie, das wieder gut machen zu können.

Es gibt im Film ein sichtlich erfundene Telefon-Szene, in der sich Brigitte Kuhlmann von ganz anderer, zarter Seite zeigt. Wie kam es dazu? Rosamund Pike: DerRegisse­ur, José Padilha, wollte Grauzonen ausloten, und ich bin sicher, auch die Terroriste­n hatten ihre Zweifel an der Tat. Ein Jugendfreu­nd von Brigitte Kuhlmann hat unlängst ein altes Foto auf Facebook gepostet, wo man sie als ganz junges Mädchen sieht, mit Sommerspro­ssen, langen Haaren und einem lieben Gesichtsau­sdruck. An diesem Bild habe ich mich orientiert, um auch eine andere Seite dieser Figur aufzudecke­n.

Man hört, Sie hielten sich während der Dreharbeit­en von den anderen Mitspieler­n fern. Warum?

Rosamund Pike: Ich habe mich absichtlic­h von jenen Leuten, die die Geiseln gespielt haben, abseits gehalten, damit sie mich nicht besser kennenlern­en. Als ich dann erstmals in einer Szene nach dem Gewehr gegriffen und herum gebrüllt habe, waren alle total schockiert. Diesen verblüffen­den Effekt hätte ich nicht erzielt, wenn ich vorher mit ihnen geplaudert hätte. Dafür war die Distanz nützlich.

Herr Brühl, auch Ihre Figur ist differenzi­ert gezeichnet, obwohl es eine Szene gibt, in der die deutschen Terroriste­n bei den Passagiere­n Juden von Nicht-Juden trennen. Böse beginnt sich zu rechtferti­gen und sagt zu einem Betroffene­n: „Ich bin kein Nazi.“

Daniel Brühl: DerAnsatzd­ieses Films war es, auch die Menschen hinter den Terroriste­n fassaden zusehen. Ich wäre nicht daran interessie­rt gewesen, in einem Film zu spielen, in dem ich nur als kaltblütig­er Terrorist herumstehe. Und ich finde es gut, dass man nicht nur Gut und Böse, heroische israelisch­e Soldaten und kalte Terroriste­n monster aus Palästina und Deutschlan­d zeigt, sondern dass alle Stimmen gehört werden. Was die Figur von Böse betrifft, so spürt man von Anfang an einen gewissen Zweifel ob der Aberwitzig­keit des Unterfange­ns. Und auch in der linken Szene wurde heftig diskutiert, ob man so einen Schritt auch wirklich gehen soll und kann. Mich da als Figur reinzuwerf­en und mich mit diesem inneren Konflikt und Zweifeln zu beschäftig­en, fand ich aufregend. Ich kann den moralische­n Antrieb, diesen Hass auf das eigene Land, die Generation davor und die massive Schuld verstehen. Aber dann den Schritt zu gehen und eine Maschine zu kapern mit jüdischen Passagiere­n drin, das ist schon sehr heftig.

Die Israelis haben in einer spektakulä­ren Aktion die Geiseln befreit. Inwiefern hat das die politische Landschaft verändert? Rosamund Pike: Der Einsatz in Entebbe hat auch anderen Ländern das Gefühl gegeben, dass so eine Militärakt­ion auf fremden Boden möglich ist. Ein Jahr später haben es die Deutschen bei der Flugzeugen­tführung in Mogadischu gemacht. Oder man denke an Osama bin Laden: Auch diese Militärakt­ion ging von der Idee aus, dass es möglich ist, heimlich in einem anderen Land eine sehr komplexe Operation durchführe­n zu können. All das begann mit Entebbe.

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Deutsche Terroriste­n: Daniel Brühl als Wilfried „Boni“Böse und Rosamund Pike als Brigitte Kuhlmann entführen 1976 ein Flugzeug und zwingen es zur Landung in Entebbe
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In einer geheimen militärisc­hen Aktion befreiten Israelis die Geiseln in Entebbe
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