Zwei deutsche Terroristen
Rosamund Pike und Daniel Brühl im Interview über „7 Tage in Entebbe“.
Wenn jemand nicht nach deutscher Terroristin aussieht, dann Rosamund Pike. Die zarte Britin („Gone Girl“und „Bond“-Girl) ist ganz „English Rose“, wie ihr Spielpartner Daniel Brühl entzückt anmerkte. Was sie allerdings nicht daran hinderte, als kaltschnäuzige Extremistin aufzutreten, die mit gezückter Kalaschnikow eingeschüchterte Passagiere vor sich her treibt.
Noch dazu auf Deutsch: „Das war eigentlich meine größte Sorge, als ich die Rolle übernahm“, gibt Pike in ihrem gepflegten Britisch im KURIER-Gespräch zu:
„Kann ich überzeugend eine Deutsche spielen?“
Sie kann (fast). Und Daniel Brühl fungierte als ihr Deutschlehrer.
Die Deutsche, die Rosamund Pike in dem auf wahren Begebenheiten beruhenden Polit-Thriller „7 Tage in Entebbe“(Kinostart: Freitag) überzeugend spielt, ist Brigitte Kuhlmann, Grün dungs mitglied der deutschen, linksextremen Gruppe „Revolutionäre Zellen“.
Der Deutsche, den Daniel Brühl an ihrer Seite verkörpert, ist KuhlmannsRevolut ions kollegeWilfried „Boni“Böse.
„7 Tage in Entebbe“von „Narcos“-Regisseur JoséPadilha erzählt, wie die beiden, gemeinsam mit zwei palästinensischen Terroristen, im Juni 1976 ein Flugzeug der Air France entführ- ten, das aus Tel Aviv gestartet war, und es zur Landung in Entebbe, Uganda, zwingen. Die Entführer wollen die Freilassung politischer Gefangener erpressen, darunter Mitglieder der linksextremen Roten Armee Fraktion (RAF). In einer spektakulären militärischen Befreiung sa kt ion beendeten israelische Sicherheitskräfte die einwöchige Entführung.
KURIER: Von der deutschen Terroristin Brigitte Kuhlmann ist nicht allzu viel bekannt. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet? Rosamund Pike: Es ist tatsächlich verblüffend, wie wenig über sie geschrieben worden ist. Es gibt Augenzeugen berichte von Geiseln, die Kuhlmannal seine besonders kalte Person beschreiben, als gewalttätig, aggressiv und skrupellos. Wir wissen allerdings auch, dass sie innerhalb der Gruppierung keine besonders zentrale Rolle spielte und ein bisschen das Mädchen für alles war. Sie kümmerte sich auch um die geheimen Unterschlupfe der untergetauchten Terroristen und fühlte sich daher für die Verhaftung von Ulrike Meinhof (Gründungsmitglied der RAF, Anm.) verantwortlich. Durch die Flugzeugentführung hoffte sie, das wieder gut machen zu können.
Es gibt im Film ein sichtlich erfundene Telefon-Szene, in der sich Brigitte Kuhlmann von ganz anderer, zarter Seite zeigt. Wie kam es dazu? Rosamund Pike: DerRegisseur, José Padilha, wollte Grauzonen ausloten, und ich bin sicher, auch die Terroristen hatten ihre Zweifel an der Tat. Ein Jugendfreund von Brigitte Kuhlmann hat unlängst ein altes Foto auf Facebook gepostet, wo man sie als ganz junges Mädchen sieht, mit Sommersprossen, langen Haaren und einem lieben Gesichtsausdruck. An diesem Bild habe ich mich orientiert, um auch eine andere Seite dieser Figur aufzudecken.
Man hört, Sie hielten sich während der Dreharbeiten von den anderen Mitspielern fern. Warum?
Rosamund Pike: Ich habe mich absichtlich von jenen Leuten, die die Geiseln gespielt haben, abseits gehalten, damit sie mich nicht besser kennenlernen. Als ich dann erstmals in einer Szene nach dem Gewehr gegriffen und herum gebrüllt habe, waren alle total schockiert. Diesen verblüffenden Effekt hätte ich nicht erzielt, wenn ich vorher mit ihnen geplaudert hätte. Dafür war die Distanz nützlich.
Herr Brühl, auch Ihre Figur ist differenziert gezeichnet, obwohl es eine Szene gibt, in der die deutschen Terroristen bei den Passagieren Juden von Nicht-Juden trennen. Böse beginnt sich zu rechtfertigen und sagt zu einem Betroffenen: „Ich bin kein Nazi.“
Daniel Brühl: DerAnsatzdieses Films war es, auch die Menschen hinter den Terroristen fassaden zusehen. Ich wäre nicht daran interessiert gewesen, in einem Film zu spielen, in dem ich nur als kaltblütiger Terrorist herumstehe. Und ich finde es gut, dass man nicht nur Gut und Böse, heroische israelische Soldaten und kalte Terroristen monster aus Palästina und Deutschland zeigt, sondern dass alle Stimmen gehört werden. Was die Figur von Böse betrifft, so spürt man von Anfang an einen gewissen Zweifel ob der Aberwitzigkeit des Unterfangens. Und auch in der linken Szene wurde heftig diskutiert, ob man so einen Schritt auch wirklich gehen soll und kann. Mich da als Figur reinzuwerfen und mich mit diesem inneren Konflikt und Zweifeln zu beschäftigen, fand ich aufregend. Ich kann den moralischen Antrieb, diesen Hass auf das eigene Land, die Generation davor und die massive Schuld verstehen. Aber dann den Schritt zu gehen und eine Maschine zu kapern mit jüdischen Passagieren drin, das ist schon sehr heftig.
Die Israelis haben in einer spektakulären Aktion die Geiseln befreit. Inwiefern hat das die politische Landschaft verändert? Rosamund Pike: Der Einsatz in Entebbe hat auch anderen Ländern das Gefühl gegeben, dass so eine Militäraktion auf fremden Boden möglich ist. Ein Jahr später haben es die Deutschen bei der Flugzeugentführung in Mogadischu gemacht. Oder man denke an Osama bin Laden: Auch diese Militäraktion ging von der Idee aus, dass es möglich ist, heimlich in einem anderen Land eine sehr komplexe Operation durchführen zu können. All das begann mit Entebbe.