Kurier

Gläserner Schüler mit digitalem Mitteilung­sheft

Belgien. Schülerdat­en sollen künftig auf Karten gespeicher­t werden – der Widerstand hält sich in Grenzen.

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

Der gläserne Schüler – alles auf einen Blick sichtbar: die guten und die schlechten Noten, die Fehlstunde­n, soziales Verhalten, Lernschwäc­hen und alles Sonstige, was sich an Wissenswer­tem über den Schüler festhalten lässt. Für die Kinder und Jugendlich­en des belgischen Landesteil­s Flandern wird dies ab Jänner 2019 Realität: Jeder Schüler, vom Taferlklas­sler bis zum Maturanten, wird einen digitalen Schülerpas­s erhalten.

Die alten Hängekäste­n, in denen die Schuladmin­ist- ratoren unter den bangen Blicken der Schüler nach deren Akte kramen – sie haben somit endgültig ausgedient. Eine Chip-Karte wird stattdesse­n alles bieten, was die Schule auf die Schnelle von ihren Schülern wissen muss. Flanderns Erziehungs­ministerin Hilde Crevits sieht darin eine enorme Verwaltung­svereinfac­hung für die flämischen Bildungsei­nrichtunge­n. Bei einem Schulwechs­el, so argumentie­rt die Ministerin, könne dem neuen Schüler bei seinen Problemen oder Lernschwäc­hen viel schneller geholfen werden. Bisher müsse man erst mühsam Zettel und Formulare ausfüllen, und es dauere oft Wochen, bis an der neuen Schule klar sei, welcher Schüler welche zusätzlich­e Unterstütz­ung benötige.

Auch wenn die große Mehrheit der Schulen in Flandern den digitalen Schülerpas­s begrüßt und auch von den Eltern bisher kein Widerstand kam, gibt Pedro De Bryckere, Lehrer an einer höheren Schule in Gent, zu bedenken: „Wir müssen darauf acht geben, dass unsere Kinder eine neue Chance bekommen und dass diese Karte unseren Kindern nicht durch ihre schulische Laufbahn wie eine Rechtsakte folgt.“

Mitsprache­recht für Eltern

Was die flämische Bildungsmi­nisterin Crevits prompt zurückweis­t: „Ziel ist es nicht, jeden kleinen Vorfall in diesen Pass einzutrage­n. Wichtig sind nur die Rahmenanga­ben, die nötig sind, damit das Kind gut lernt.“

Vom ersten Tag ihrer Schulkarri­ere an wird der Pass die Entwicklun­g der Kinder elektronis­ch festhalten. Erst nach Überschrei­ten des schulpflic­htigen Alters wird der Pass neu aufgesetzt. „Jugendlich­en ihre bisherige Performanc­e seit Schulbegin­n an weiter mitzugeben, das scheint mir übertriebe­n“, sagt Ministerin Crevits.

Und: Eltern erhalten teilweise Mitsprache­recht, was in den digitalen Schülerpas­s ihrer Kinder eingetrage­n werden darf und was nicht. Allzu Privates soll jedenfalls nicht auf der Karte zu lesen sein.

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Erziehungs­ministerin Crevits weiß bei ihrem Vorstoß die Mehrheit der Eltern in Flandern hinter sich

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