„Viele Kunden wollen einen Diesel“
Porsche-Chef Blume. Die VW-Tochter ist in die Ermittlungen zum Abgasskandal geraten. Warum das nicht gerechtfertigt ist und der Diesel eine Zukunft hat, erklärt der Boss des Sportwagenbauers im KURIER-Gespräch.
KURIER: Einer Ihrer Top-Manager wurde im Zuge des Dieselskandals in U-Haft genommen. Offenbar ist Porsche in den Skandal doch tiefer involviert als nur durch das Übernehmen von manipulierten Motoren. Oliver Blume:
Die staatsanwaltschaftliche Durchsuchung kam für uns sehr überraschend, da wir mit der Staatsanwaltschaft seit Juli 2017 vollumfänglich zusammenarbeiten. Wir halten die Vorwürfe für nicht berechtigt, gehen ihnen aber gemeinsam mit den Ermittlungsbehörden sorgfältig nach. De facto ist es so, dass Porsche selbst keine Dieselmotoren entwickelt und produziert – auch keine Dieselsoftware.
Aber Sie wollen doch nach der Hausdurchsuchung verhindern, dass Ermittler die sichergestellten Unterlagen sichten und haben dagegen Widerspruch eingelegt, sodass die Staatsanwaltschaft vorläufig die Unterlagen nicht prüfen kann.
Der genannte Widerspruch ist ein völlig üblicher Vorgang, dies bedeutet keine Blockade. Der Grund hierfür ist die Anzahl der sichergestellten Unterlagen, die eine Sichtung und Bewertung durch Porsche in der Kürze der Zeit unmöglich macht. Aktuell sichtet Porsche die Sicherstellungsverzeich-nisse und wird anschließend den Widerspruch beschränken. Die Beschränkung erfolgt hinsichtlich der Dokumente, die für das Verfahren irrele-vantsind,undDokumente,die Teil der geschützten anwaltlichen Kommunikation sind.
Porsche hat ja angekündigt, sich vorübergehend aus dem Diesel zurückzuziehen. Was heißt „vorübergehend“? Oder ist das insgeheim der endgültige Abschied?
Diesel-Antriebe spielen bei Porsche traditionell eine untergeordnete Rolle. Unser Diesel-Anteil lag 2017 weltweit bei zwölf Prozent. Aktuell ist die Nachfrage nach Dieselmodellen rückläufig; das Interesse gerade an Hybridmodellen steigt hingegen stark. Beim neuen Panamera etwa sind es in Europa rund 60 Prozent. Vor diesem Hintergrund und im Zuge anstehender Modellwechsel haben wir derzeit keinen Diesel im Angebot. Das bedeutet allerdings keinen Diesel-Ausstieg. Auch in Zukunft haben wir DieselModelle in Planung.
Wann konkret und mit welchem Modell?
Wir planen einen Diesel zunächst für den Cayenne – in einer gestaffelten Aggregateeinsatzplanung in den nächsten Monaten. Dann schauen wir weiter. Bei den Benzinmotoren erfolgt die Umstellung auf Ottopartikelfilter ab September im Rahmen der neuen Abgasgesetzgebung.
Was heißt das für Autokäufer?
Es kann zu einer vorübergehenden Einschränkung in der Modellpalette kommen. Bei den zweitürigen Sportwagen, bei denen der Automatik-Anteil zum Teil bei mehr als 90 Prozent liegt, werden beispielsweise Versionen mit Handschaltgetriebe bei der Typisierung hintangestellt. 2019 sollte dann wieder die gesamte Palette zur Verfügung stehen.
Wieso kommt es zu Engpässen? Die neuen Abgastests kommen ja nicht überraschend.
Einen neuen Motor zu entwickeln, dauert drei Jahre. Die Ankündigung der EU ist nicht nur relativ kurzfristig erfolgt, sondern wurde noch um ein Jahr vorgezogen. Dadurch wurde die Autoindustrie enorm unter Druck gesetzt. Das ist ein RiesenKraftakt für alle Hersteller. Nichtsdestotrotz befürworten wir die realitätsnähere Emissionsermittlung.
Bosch hat in der Vorwoche einen neuartigen Motor mit deutlich geringerem Stickoxid-Ausstoß vorgestellt. Wie beurteilen Sie diese technische Entwicklung?
Der Diesel gehört auch in Zukunft zum Antriebsmix dazu. Die technischen Fortschritte zeigen in die richtige Richtung.
Warum verzichtet Porsche nicht ganz auf den Diesel?
Wir haben viele Kunden, die einen Diesel wollen. Dieselmotoren haben ihre Vorteile – gerade auf langen Strecken, bei SUVs oder für Vielfahrer. Zudem hat der Diesel eine wichtige Bedeutung für das Erreichen der CO2-Ziele.
Rund ein Drittel des Absatzes geht nach China, ein weiteres in die USA. Wie stark sind Sie von den beiden Ländern abhängig, und wie sehr wären Sie von einem Handelskrieg mit den USA betroffen?
Unser Absatz ist weltweit sehr gesund verteilt. In China sehenwirgroßeChancen,weil das Land sehr technologieaffin ist und neue Entwicklungen sich viel schneller durchsetzen. In den USA haben wir eine große und äußerst treue Fangemeinde; wir beobachten die Diskussionen dort sehr aufmerksam. Ich sehe aber weder in China eine Abhängigkeit noch in den USA eine Bedrohung. Wir werden ganz bestimmt auch nichts überstürzen und den ersten Schritt vor dem zweiten tun.
Das heißt also, Sie denken an ein Werk in den USA?
Nein, das haben wir nicht vor. Für unsere Kunden ist das Prädikat „designed und engineered in Germany“sehr wichtig. Dazu kommt: Für eine Produktion im Ausland brauchen Sie ein entsprechendes Volumen. Wir verkaufen in den USA im Jahr etwa 60.000 Fahrzeuge. Das hört sich zwar viel an, verteilt sich aber auf sechs Baureihen. Eine eigene Fertigung lohnt sich erst ab mehreren Zehntausend Einheiten in den einzelnen Baureihen.
Bei Volkswagen gibt es nun eine neue Konzernstruktur. Sie sind jetzt auch Produktionsvorstand. Ist das zu schaffen?
Als neues Mitglied des Konzernvorstands von Volkswagen verantworte ich die Konzernproduktion. Ich sehe mich hier in einer koordinierenden Rolle. Den Ansatz der Quervernetzung halte ich für sehr positiv, um den Zusammenhalt noch weiter zu fördern und weitere Synergien zu erschließen. Das ist sicherlich eine anspruchsvolle Aufgabe und erfordert eine gute Organisation. Ich habe schon bei einigen Konzernmarken gearbeitet, kenne das ganze Produktionsumfeld und fast alle Fabriken. Das hilft mir. Gesteuert über den Konzern, werden wir uns auf wesentliche Aufgaben konzentrieren – etwa die strategische Standortbelegung. Gleichzeitig übertragen wir mehr Verantwortung an die Marken.
Wird es Porsche in zehn Jahren noch geben?
Darauf können Sie sich verlassen! Mit unserer Strategie 2025 haben wir die Weichen für die Zukunft gestellt. Ganz wesentlich: der Antriebsmix. Wir entwickeln die Verbrennermotoren weiter, setzen auf Plug-in-Hybride und starten bei der reinen Elektromobilität voll durch. Sie passt hervorragend zu Porsche. Ferdinand Porsche war einer der Ersten, der sich mit Elektromotoren beschäftigt hat. Zudem haben wir in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit Elektromobilität im Rennsport gesammelt. So haben wir mit einem Hybridfahrzeug die letzten drei „24-Stunden-Rennen von Le Mans“und drei Mal in Folge die Langstreckenweltmeisterschaft gewonnen.
Aber gehört nicht auch der Klang eines Motors zu einem Sportwagen?
Diese Frage höre ich öfters. Wir gehören zu einer Generation, die Sound mit Fahrdynamik und einer guten Beschleunigung gleichsetzt. Wenn ein Motor richtig röhrt, dann muss auch was dahintersitzen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass künftige Generationen das nicht mehr so unmittelbar miteinander in Verbindung bringen werden. Schließlich ist der Sound nicht dafür ausschlaggebend, ob ein Auto schneller fährt oder sich gut um die Kurve bewegt.