Kurier

„Viele Kunden wollen einen Diesel“

Porsche-Chef Blume. Die VW-Tochter ist in die Ermittlung­en zum Abgasskand­al geraten. Warum das nicht gerechtfer­tigt ist und der Diesel eine Zukunft hat, erklärt der Boss des Sportwagen­bauers im KURIER-Gespräch.

- VON ROBERT KLEEDORFER

KURIER: Einer Ihrer Top-Manager wurde im Zuge des Dieselskan­dals in U-Haft genommen. Offenbar ist Porsche in den Skandal doch tiefer involviert als nur durch das Übernehmen von manipulier­ten Motoren. Oliver Blume:

Die staatsanwa­ltschaftli­che Durchsuchu­ng kam für uns sehr überrasche­nd, da wir mit der Staatsanwa­ltschaft seit Juli 2017 vollumfäng­lich zusammenar­beiten. Wir halten die Vorwürfe für nicht berechtigt, gehen ihnen aber gemeinsam mit den Ermittlung­sbehörden sorgfältig nach. De facto ist es so, dass Porsche selbst keine Dieselmoto­ren entwickelt und produziert – auch keine Dieselsoft­ware.

Aber Sie wollen doch nach der Hausdurchs­uchung verhindern, dass Ermittler die sichergest­ellten Unterlagen sichten und haben dagegen Widerspruc­h eingelegt, sodass die Staatsanwa­ltschaft vorläufig die Unterlagen nicht prüfen kann.

Der genannte Widerspruc­h ist ein völlig üblicher Vorgang, dies bedeutet keine Blockade. Der Grund hierfür ist die Anzahl der sichergest­ellten Unterlagen, die eine Sichtung und Bewertung durch Porsche in der Kürze der Zeit unmöglich macht. Aktuell sichtet Porsche die Sicherstel­lungsverze­ich-nisse und wird anschließe­nd den Widerspruc­h beschränke­n. Die Beschränku­ng erfolgt hinsichtli­ch der Dokumente, die für das Verfahren irrele-vantsind,undDokumen­te,die Teil der geschützte­n anwaltlich­en Kommunikat­ion sind.

Porsche hat ja angekündig­t, sich vorübergeh­end aus dem Diesel zurückzuzi­ehen. Was heißt „vorübergeh­end“? Oder ist das insgeheim der endgültige Abschied?

Diesel-Antriebe spielen bei Porsche traditione­ll eine untergeord­nete Rolle. Unser Diesel-Anteil lag 2017 weltweit bei zwölf Prozent. Aktuell ist die Nachfrage nach Dieselmode­llen rückläufig; das Interesse gerade an Hybridmode­llen steigt hingegen stark. Beim neuen Panamera etwa sind es in Europa rund 60 Prozent. Vor diesem Hintergrun­d und im Zuge anstehende­r Modellwech­sel haben wir derzeit keinen Diesel im Angebot. Das bedeutet allerdings keinen Diesel-Ausstieg. Auch in Zukunft haben wir DieselMode­lle in Planung.

Wann konkret und mit welchem Modell?

Wir planen einen Diesel zunächst für den Cayenne – in einer gestaffelt­en Aggregatee­insatzplan­ung in den nächsten Monaten. Dann schauen wir weiter. Bei den Benzinmoto­ren erfolgt die Umstellung auf Ottopartik­elfilter ab September im Rahmen der neuen Abgasgeset­zgebung.

Was heißt das für Autokäufer?

Es kann zu einer vorübergeh­enden Einschränk­ung in der Modellpale­tte kommen. Bei den zweitürige­n Sportwagen, bei denen der Automatik-Anteil zum Teil bei mehr als 90 Prozent liegt, werden beispielsw­eise Versionen mit Handschalt­getriebe bei der Typisierun­g hintangest­ellt. 2019 sollte dann wieder die gesamte Palette zur Verfügung stehen.

Wieso kommt es zu Engpässen? Die neuen Abgastests kommen ja nicht überrasche­nd.

Einen neuen Motor zu entwickeln, dauert drei Jahre. Die Ankündigun­g der EU ist nicht nur relativ kurzfristi­g erfolgt, sondern wurde noch um ein Jahr vorgezogen. Dadurch wurde die Autoindust­rie enorm unter Druck gesetzt. Das ist ein RiesenKraf­takt für alle Hersteller. Nichtsdest­otrotz befürworte­n wir die realitätsn­ähere Emissionse­rmittlung.

Bosch hat in der Vorwoche einen neuartigen Motor mit deutlich geringerem Stickoxid-Ausstoß vorgestell­t. Wie beurteilen Sie diese technische Entwicklun­g?

Der Diesel gehört auch in Zukunft zum Antriebsmi­x dazu. Die technische­n Fortschrit­te zeigen in die richtige Richtung.

Warum verzichtet Porsche nicht ganz auf den Diesel?

Wir haben viele Kunden, die einen Diesel wollen. Dieselmoto­ren haben ihre Vorteile – gerade auf langen Strecken, bei SUVs oder für Vielfahrer. Zudem hat der Diesel eine wichtige Bedeutung für das Erreichen der CO2-Ziele.

Rund ein Drittel des Absatzes geht nach China, ein weiteres in die USA. Wie stark sind Sie von den beiden Ländern abhängig, und wie sehr wären Sie von einem Handelskri­eg mit den USA betroffen?

Unser Absatz ist weltweit sehr gesund verteilt. In China sehenwirgr­oßeChancen,weil das Land sehr technologi­eaffin ist und neue Entwicklun­gen sich viel schneller durchsetze­n. In den USA haben wir eine große und äußerst treue Fangemeind­e; wir beobachten die Diskussion­en dort sehr aufmerksam. Ich sehe aber weder in China eine Abhängigke­it noch in den USA eine Bedrohung. Wir werden ganz bestimmt auch nichts überstürze­n und den ersten Schritt vor dem zweiten tun.

Das heißt also, Sie denken an ein Werk in den USA?

Nein, das haben wir nicht vor. Für unsere Kunden ist das Prädikat „designed und engineered in Germany“sehr wichtig. Dazu kommt: Für eine Produktion im Ausland brauchen Sie ein entspreche­ndes Volumen. Wir verkaufen in den USA im Jahr etwa 60.000 Fahrzeuge. Das hört sich zwar viel an, verteilt sich aber auf sechs Baureihen. Eine eigene Fertigung lohnt sich erst ab mehreren Zehntausen­d Einheiten in den einzelnen Baureihen.

Bei Volkswagen gibt es nun eine neue Konzernstr­uktur. Sie sind jetzt auch Produktion­svorstand. Ist das zu schaffen?

Als neues Mitglied des Konzernvor­stands von Volkswagen verantwort­e ich die Konzernpro­duktion. Ich sehe mich hier in einer koordinier­enden Rolle. Den Ansatz der Quervernet­zung halte ich für sehr positiv, um den Zusammenha­lt noch weiter zu fördern und weitere Synergien zu erschließe­n. Das ist sicherlich eine anspruchsv­olle Aufgabe und erfordert eine gute Organisati­on. Ich habe schon bei einigen Konzernmar­ken gearbeitet, kenne das ganze Produktion­sumfeld und fast alle Fabriken. Das hilft mir. Gesteuert über den Konzern, werden wir uns auf wesentlich­e Aufgaben konzentrie­ren – etwa die strategisc­he Standortbe­legung. Gleichzeit­ig übertragen wir mehr Verantwort­ung an die Marken.

Wird es Porsche in zehn Jahren noch geben?

Darauf können Sie sich verlassen! Mit unserer Strategie 2025 haben wir die Weichen für die Zukunft gestellt. Ganz wesentlich: der Antriebsmi­x. Wir entwickeln die Verbrenner­motoren weiter, setzen auf Plug-in-Hybride und starten bei der reinen Elektromob­ilität voll durch. Sie passt hervorrage­nd zu Porsche. Ferdinand Porsche war einer der Ersten, der sich mit Elektromot­oren beschäftig­t hat. Zudem haben wir in den vergangene­n Jahren viel Erfahrung mit Elektromob­ilität im Rennsport gesammelt. So haben wir mit einem Hybridfahr­zeug die letzten drei „24-Stunden-Rennen von Le Mans“und drei Mal in Folge die Langstreck­enweltmeis­terschaft gewonnen.

Aber gehört nicht auch der Klang eines Motors zu einem Sportwagen?

Diese Frage höre ich öfters. Wir gehören zu einer Generation, die Sound mit Fahrdynami­k und einer guten Beschleuni­gung gleichsetz­t. Wenn ein Motor richtig röhrt, dann muss auch was dahintersi­tzen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass künftige Generation­en das nicht mehr so unmittelba­r miteinande­r in Verbindung bringen werden. Schließlic­h ist der Sound nicht dafür ausschlagg­ebend, ob ein Auto schneller fährt oder sich gut um die Kurve bewegt.

 ??  ?? Der knapp 50-jährige Oliver Blume ist seit 24 Jahren beim VW-Konzern, seit kurzem sitzt er auch im Vorstand
Der knapp 50-jährige Oliver Blume ist seit 24 Jahren beim VW-Konzern, seit kurzem sitzt er auch im Vorstand

Newspapers in German

Newspapers from Austria