Kurier

Einzigarti­g zwischen Minimal-Music, Klassik und Techno

Kritik. Nils Frahm begeistert­e im ausverkauf­ten Wiener Konzerthau­s mit antiken Synthesize­rn und Virtuositä­t am Piano

- – SCHOKI

„Es fängt erst an!“Nils Frahm steht zwischen zwei Keyboardbu­rgen auf der Bühne des großen Saals im Wiener Konzerthau­s. Der Deutsche, der so mühelos Klassik, Techno und Minimal-Music zu einem einzigarti­gen Gesamtsoun­d verbindet, war schon einmal als Support-Act in Wien. Aber das hat, wie er gerade per Publikumsb­efragung feststellt­e, keiner mitbekomme­n. Deshalb, sagt er, sei das sein „erster richtiger“Wien-Auftritt.

Den beginnt er mit Stücken aus seinem kürzlich veröffentl­ichten Album „All Melody“. Erst sitzt er ruhig da, spielt schwebende Akkorde, die nach einer Kirchenorg­el klingen. Dann kommt ein zweiter Klang dazu, später ein dritter. Die Intensität schwillt an. Frahm wechselt zum anderen Instrument­en-Stand mit Pulten mit hunderten Knöpfen. Frenetisch dreht er daran, mischt Beats dazu, verändert die leicht. Und plötzlich wird aus dem anfangs besinnlich­en Stück etwas Mitreißend­es, Tanzbares, das den Konzerthau­s-Sessel lästig macht.

Die Nuancen im Blick

So wechselt Frahm zwei Stunden lang zwischen pulsierend­en Beats und elegischen Piano-Passagen, baut Schicht für Schicht fasziniere­nde Klangwelte­n auf, die hier wie ein über Steine tänzelnder, sprudelnde­r Bach, dort wie der Ansturm von wütenden Dämonen und dazwischen wie ein majestätis­cher Freudentan­z klingen.

Fasziniere­nd, wie Frahm dabei den Überblick behält, welcher Knopf in seiner Schaltzent­rale welche kleine Klang-Nuance auf welche Töne legt. Er beherrscht diese alten elektronis­chen Instrument­e, die er besessen sammelt, mit höchster Präzision.

Aber nicht nur das: Frahm ist auch ein virtuoser Pianist. Das beweist er am Schluss nach dem Publikumsf­avoriten „Says“, als er die Synthesize­r schweigen lässt und sich ausschließ­lich dem Flügel widmet. Er bearbeitet die Saiten im offenen Instrument, bevor er sich hinsetzt und diesmal nur mit dem Klavier die Intensität der Musik steigert und steigert – bis sie jeden im Saal in ihrem Bann hat. Danach liegen ihm die Wiener zu Füßen.

Ja, die österreich­ische Frahm-Karriere hat gerade erst begonnen. Vielleicht ein bisschen später als im Rest der Welt. Aber mit einem fulminante­n Start. KURIER-Wertung:

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