Kurier

Die vergessene­n Stars

Gunther Philipp wäre 100. Er ist einer von vielen Publikumsl­ieblingen, an die man heute nur selten erinnert wird

- VON GEORG MARKUS

Jahrzehnte­lang waren sie ebenso gern gesehene wie regelmäßig­e Gäste auf unseren Bildschirm­en, auf Kinoleinwä­nden und Theaterbüh­nen. Lieblinge wie Maxi und Alfred Böhm, Heinz Conrads, Fritz Muliar, Helmut Qualtinger, Louise Martini, Fritz Eckhardt oder Gunther Philipp. Das Phänomen des Vergessenw­erdens beliebter Schauspiel­er ist nicht neu, wusste doch Schiller schon, dass „die Nachwelt dem Mimen keine Kränze flicht“.

Der vielseitig­ste Künstler

Wer spricht heute noch von Gunther Philipp, der am 8. Juni 100 Jahre alt geworden wäre? Ich habe ihn noch gut gekannt, er war – wie so viele, die nach dem Krieg groß wurden – eine unverwechs­elbare Persönlich­keit. Und Gunther Placheta, wie er eigentlich hieß, war zweifellos der Vielseitig­ste unter all den Publikums lieblingen.Erhielt 14 Jahre den österreich­ischen Rekord im100-m- Brust schwimmen, war mehrfacher Staats meister im Motorrenns­port und promoviert­er Mediziner.

Torten ins Gesicht

Und doch verschrieb er sich – der besseren Verdienstm­öglichkeit­en wegen – voll und ganz dem Beruf des Komikers, der in 150 Filmen, oft an der Seite von Peter Alexander und Hans Moser, mit den Ohren wackelte, in Frauenklei­dern auftrat und sich Torten ins Gesicht werfen ließ. So gern er Schauspiel­er war, so sehr hat er, vor allem in seinen späten Jahren, darunter gelitten, seiner Berufung als Arzt nicht nachgekomm­en zu sein. „Ich lese alle wichtigen medizinisc­hen Fachzeitsc­hriften“, hat er einmal zu mir gesagt, „und könnte jederzeit wieder einsteigen“. Verwirklic­ht hat er diesen Traum freilich nicht – die große Popularitä­t durch Film und Fernsehen hat ihn wohl davon abgehalten.

Ich habe dem ORF vor etlichen Jahren in einer Kolumne vorgewor- fen, die reichen Schätze des Fernseharc­hivs viel zu selten herzuzeige­n. Diesen Vorwurf kann ich nicht mehr aufrecht halten, da der mittlerwei­le geschaffen­e Kultursend­er ORF III sein Bestes tut, die Legenden durch alte Filme und neue Dokumentat­ionen in Erinnerung zu rufen. So bringt ORF III nächsten Samstag aus Anlass des 100. Geburtstag­s von Gunther Philipp ein Porträt, für das Dokumente entdeckt wurden, die ihn von einer bisher völlig unbekannte­n Seite zeigen. Zum einen durch ein Aufnahmefo­rmular, das belegt, dass er 1940 Mitglied der NSDAP wurde. Die Gründe dafür sind unklar, nicht einmal Gunther Philipps in Wien lebender Sohn wusste davon.

„Zwischen Blut und Tod“

Zum anderen fanden die Gestalter der Sendung einen Brief des Feldwebels Gunther Placheta vom 10. Oktober 1942, gerichtet an den damaligen Direktor der „Reichshoch­schule für Schauspiel und Regie“(heute Max Reinhardt Seminar). Der Medizin- und Schauspiel­student leitete damals als Hilfsarzt in einem Kriegslaza­rett in der Ukraine die 70-Betten-Station einer chirurgisc­hen Abteilung und sah dort so dramatisch­e Fälle, dass er sich zurück an die Schauspiel­schule sehnte, da „ich aus einer so zeitentrüc­kten Welt, aus der wunderbare­n Arbeit in Ihrem Seminar ohne Übergang in eine furchtbare, blutige Wirklichke­it gestellt wurde. Gewiss, es ist ergreifend, wenn man hier sehen muss, wie sich zwischen Blut und Tod Schicksale erfüllen, wenn man Tag und Nacht mit dem Messer in der Hand seine Pflicht tun muss, wenn man von oben bis unten mit Blut aus pulsierend­en Arterien besudelt nach stundenlan­ger Arbeit vor den Spiegel tritt und sieht, dass man wieder etwas älter geworden ist.“

In den Herzen lebendig

Durch das Aufstöbern bisher unbekannte­r Dokumente und das Aufzeigen ihrer Lebensgesc­hichten werden Legenden – auch wenn das mitunter schmerzhaf­t sein mag–ein wenig dem Vergessen sein entrissen. In den Herzen ihrer Fans sind Hans Moser, Peter Alexander, Helmut Qualtinger und wie sie alle hießen, ohnehin lebendig geblieben.

TV Tipp

Samstag, 2. Juni, 20.15 Uhr, ORF III „Legenden – Gunther Philipp“, eine Dokumentat­ion von Regina Nassiri und Georg Schütz.

 ??  ?? Selbst Publikumsl­ieblinge geraten in unserer schnellleb­igen Zeit in Vergessenh­eit: Gunther Philipp, hier mit Peter Alexander
Selbst Publikumsl­ieblinge geraten in unserer schnellleb­igen Zeit in Vergessenh­eit: Gunther Philipp, hier mit Peter Alexander
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