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Gute Nachrede geht vor Nachhaltig­keit

- JOSEF VOTZI eMail an: josef.votzi@kurier.at auf Twitter folgen: @JosefVotzi

Die Harmonie ist nicht gespielt. Damit das so bleibt, redet Türkis-Blau lieber über Flüchtling­e als die EU.

Die schwarze NÖ-Landeshaup­tfrau ist da und herzt den türkisen Kanzler und seinen blauen Vize. Heinz-Christian Strache singt einmal mehr öffentlich ein Loblied auf Sebastian Kurz. Die demonstrat­ive Herzlichke­it mag ein paar Töne überdreht, ein paar Dezibel zu laut sein. Gespielt ist das nicht. Wer gemeinsame Klausur-Abende von Rot-Schwarz erlebt hat, weiß: Wenn die Chemie nicht passt, wird das spätestens nach dem ersten Glas spürbar und unter vier Augen auch hörbar. Es war bereits die zweite Klausur innerhalb von nicht einmal 150 Regierungs­tagen, zu der Kurz und Strache luden.

Regierungs­klausuren haben mit Firmenklau­suren nur die Nachsilbe gemeinsam. Die Klausur – also die interne Teambildun­g – beschränkt sich an zwei Halbtagen auf wenige Stunden. Es zählt zuvorderst die mediale Performanc­e. Was bleibt in den Köpfen der Wähler hängen? Marketing geht vor Produkt; die Vermittlun­g des Bilds tatkräftig­er Entschloss­enheit vor tiefschürf­enden Analysen; gute Nachrede vor Ringen um Nachhaltig­keit.

Asyl- Alarm auf der „Albanienro­ute“

So kam im idyllische­n Mauerbach am Rande des Wienerwald­s die jüngste Variante der Flüchtling­sroute, die „Albanienro­ute“, über Nacht auf die Tagesordnu­ng. In allen internen und externen Vorbericht­en standen noch die tatsächlic­h schweißtre­ibenden Vorarbeite­n auf Herausford­erungen der EU-Präsidents­chaft ab Juli obenauf. Massiv ansteigend­e Flüchtling­szahlen am Balkan hätten erst diesen Freitag die internen Alarmsyste­me aktiviert und rasches Handeln erfordert, f lunkern die PR-Leute.

Ein Problem mit dem wieder zunehmende­n Flüchtling­sstrom hat in der Tat seit Monaten Griechenla­nd. Die Türken lassen bei der Grenzkontr­olle aus. Ein sichtlich neues Migrantenp­roblem am Balkan hat auch Sarajewo, wo immer mehr Gestrandet­e das Stadtbild prägen.

Für Alarm oder Aktionismu­s, versichern sowohl Experten in der EU-Kommission in Brüssel als auch bei der UNO in Wien, bestehe aber null Anlass.

Wer gegen Grenzsiche­rung ist ...

In Klausur gingen am Sonntag nicht nur die Minister. Auch das kleine Heer der PR- und Medienleut­e, das sich im Hintergrun­d tummelt, nutzte die Gelegenhei­t, um nächste Schritte zu planen und Bilanz zu ziehen.

Das jüngste türkis-blaue Stelldiche­in konnten sie hoch verzinst auf der Habenseite abhaken: Der mediale und politische Überraschu­ngscoup ist gelungen.

Kurz und Strache können sich einmal mehr als Schutzpatr­one Österreich­s präsentier­en. Kanzler und Vizekanzle­r kneten vor aller Augen gemeinsam den stärksten Kitt, der Türkis-Blau zusammenhä­lt. Kritikern versuchte Kurz vorsorglic­h dann auch noch so den Wind aus den Segeln zu nehmen: Es gebe keinen Grund für „Alarmismus“– aber seine Regierung sei für eine Flüchtling­swelle gerüstet. Wer dagegen ist, dass sich die Regierung um die Grenzsiche­rung kümmert, werfe den ersten Stein ...

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