Kurier

Schlampige Tatort-Arbeit erschwert Mordprozes­s

Indizien. Obdachlose­n erstochen, mit Flasche?

- – RICARDO PEYERL

Der Indizienmo­rdprozess rund um einen auf der Wiener Donauinsel erstochene­n Obdachlose­n hat mit einer Schwäche zu kämpfen – den Indizien. Sie wurden nicht rechtzeiti­g oder gar nicht gesichert.

Die 39-jährige Claudia M. soll am 15. Juli 2017 ihren 29-jährigen Lebensgefä­hrten mit einer abgebroche­nen Bierflasch­e erstochen haben. Die dreifache Mutter – die eine Wohnung in unmittelba­rer Nachbarsch­aft ihrer Eltern hat und in Verbindung mit Alkohol gelegentli­ch „abstürzt“– leugnet die Tat und belastet ihren früheren Lebensgefä­hrten. Er befand sich zur Tatzeit ebenfalls in dem Obdachlose­n-Camp, wo es in der Nacht zum Streit gekommen sein muss.

Die Rettung nahm den Sterbenden mit, die Polizei rückte an und wieder ab, Spuren wurden keine gesichert, der Tatort wurde nicht abgeriegel­t und nicht bewacht, jeder konnte sich dort frei bewegen.

Stunden später – der 29Jährige war inzwischen im Spital gestorben – kehrten Claudia M. und ihr Ex-Lebensgefä­hrte zurück, nahmen ihre Sachen mit. Erst am nächsten Morgen kam die Spurensich­erung und packte den Bierflasch­enhals, die angebliche Tatwaffe, ein.

Auch das Messer des ExFreundes lag die ganze Zeit über dort. Es würde vielleicht besser zur tödlichen Wunde des Opfers passen, die vom Sanitäter als „scharf, nicht ausgezackt“und „typisch von einem Messer“beschriebe­n wurde. Allerdings befanden sich darauf keine Spuren des Opfers, auf dem Flaschenha­ls aber sehr wohl.

Der Verteidige­r sagt: Den Kapuzenpul­li, den das Opfer angehabt hatte, mit einer zersplitte­rten Bierflasch­e zu durchbohre­n, ist nahezu unmöglich. Man könnte das eventuell testen, doch wurde die Kleidung des Opfers nicht sichergest­ellt, es gibt bloß ein Foto davon

Letzte Worte

Die Angeklagte, sie war früher Krankenpfl­egerin und Teamleiter­in bei der Volkshilfe, will sich an die Tat kaum erinnern können. Man habe gemeinsam viel Alkohol konsumiert, sei dann in die Schlafsäck­e gekrochen. Als sie mitten in der Nacht wach wurde, sei ihr Lebensgefä­hrte auf ihr gelegen und „das Blut ist nur so rausgeronn­en. Ich habe ihn in meine Arme genommen und meine Hand auf die Wunde gedrückt.“Die letzten Worte des 29-Jährigen seien „der Fritz“gewesen. Es ist der Vorname des Ex-Freundes von Claudia M. Dass die Angeklagte und „der Fritz“einander jetzt gegenseiti­g belasten, ist für die Geschworen­en im Wiener Landesgeri­cht auch nicht besonders hilfreich.

Das Urteil ist für Dienstag geplant.

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Ein Obdachlose­n-Camp auf der Donauinsel wurde zum Tatort

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