Leukämie durch zu wenig Keime?
Neue Theorie. Grazer Expertin warnt aber vor voreiligen Schlüssen
Kann ein mangelhafter Kontakt des Immunsystems im ersten Lebensjahr mit Keimen aller Art einen Einfluss auf das Leukämie-Risiko von Kindern haben? Ja, meint der britische Onkologe Mel Greaves vom Institut für Krebsforschung in London. Die häufigste Leukämieform im Kindesalter, die ALL (akute lymphatische Leukämie), könnte demnach häufiger auftreten, wenn das Immunsystem im ersten Lebensjahr zu wenig Kontakt mit Bakterien und Viren hat und zu wenig trainiert wird, schreibt er im Fachblatt Nature Reviews Cancer. Seine Vision: Vielleicht könnte in Zukunft ein Cocktail an guten Bakterien – ähnlich wie in einem Joghurt – das Immunsystem vorsorglich trainieren.
„Das ist nur eine Theorie. Bis auf einzelne LeukämieFälle in der Nähe von Kernkraftwerken wissen wir heute nichts über die Auslöser“, betont Univ.-Prof. Hildegard Greinix, Leiterin der Klinischen Abteilung für Hämatologie am LKH-Universitätsklinikum Graz. „Wir wissen ja im Normalfall auch nicht, ob das Kind bereits mit bösartigen Zellen geboren wird – was möglich ist – oder diese sich erst später bilden.“
Eltern würden sich oft die Frage stellen, ob sie etwas anders machen hätten sollen, ob die Erkrankung ihres Kindes vermeidbar gewesen wäre, sagt Greinix: „Solche spekulative Theorien können rasch zu Schuldzuweisungen führen, dass Eltern etwas falsch gemacht hätten. Das aber ist falsch. Wir wissen heute einfach nicht, wie wir Leukämie bei Kindern vermeiden können.“