Kurier

Krebs im Endstadium: 51-Jährige ist geheilt

Neue Therapie. Krebs wird besser behandelba­r

- VON LAILA DANESHMAND­I

„Es fühlt sich an wie ein Wunder“, erzählt die USAmerikan­erin Judy Perkins, die sich schon darauf vorbereite­t hatte zu sterben. Ihr Brustkrebs war im Endstadium und hatte in ihren gesamten Körper gestreut, mehrere Chemothera­pien waren erfolglos. Daraufhin behandelte­n ihre Ärzte sie mit einer neuen, radikalen Immunthera­pie – 42 Wochen später waren keine Krebszelle­n mehr in ihrem Körper feststellb­ar. Nach zwei Jahren ist sie noch immer frei von Krebs. Weltweit und auch in Österreich freuen sich Ärzte über den Erfolg der Therapie – vorerst fehlen aber noch nähere Studien. Schon jetzt werden Arten der Immunthera­pie bei verschiede­nen Krebsarten eingesetzt. Die Behandlung­en werden immer zielgenaue­r.

Judy Perkins hatte nur noch drei Monate zu leben – ihr Brustkrebs hatte bereits in ihren gesamten Körper gestreut, mehrere Chemothera­pien waren erfolglos. „Ich hatte den Kampf aufgegeben“, erzählt die US-Amerikaner­in heute. Doch mithilfe einer neuartigen, radikalen Immunthera­pie ist die inzwischen 51-Jährige zwei Jahre später noch immer am Leben – und frei von jeglichen Krebszelle­n. Auch österreich­ische Experten beobachten den Fall mit großem Interesse.

Für die neue Therapie wurden 80 Milliarden krebszerst­örende Immunzelle­n in den Körper von Perkinsge pumpt. Zu vorhaben die Ärzte Zellproben ihrer Tumore entfernt und die spezifisch­en DNA-Mutationen analysiert

(siehe Grafik), die für den Krebs verantwort­lich sind. Dann wurden aus den Proben körpereige­ne Immunzelle­n identifizi­ert, die versucht haben, den Krebs zu bekämpfen, aber zu schwach oder einfach zu wenige waren. Im Labor wurden dann Milliarden dieser Immunzelle­n nachgezüch­tet und wieder in den Körper von Perkins injiziert – gemeinsam mit Pembrolizu­mab, einem Standard medikament, das dem Immunsyste­m beim Kampf gegen Krebs hilft.

„Wie ein Wunder“

42 Wochen nach der Behandlung konnten bereits keine Krebszelle­n mehr im Körper von Perkins festgestel­lt werden, berichten die Ärzte im Fachjourna­l Nature Medicine. „Es fühlt sich an wie ein Wunder. Ich hatte meinen Job gekündigt und habe mich darauf vorbereite­t zu sterben – ich wollte mir noch letzte Wünsche erfüllen, wie den Grand Canyon zu sehen“, erzählt sie im Guardian. „Jetzt bin ich wieder ins normale Leben zurückgeke­hrt.“

Richtungsw­eisend?

Als möglicherw­eise richtungsw­eisend bezeichnet auch der österreich­ische Brustkrebs-Experte Univ.Prof. Christian Singer von der MedUni Wien den Behandlung­serfolg bei Perkins: „Mit dieser Therapie wurden jene Lymphozyte­n isoliert und potenziert, die gegen diese Tumoreigen­schaft effektiv waren. Mit dem Medikament wurde zusätzlich das vom Krebs gebremste Immunsyste­m entfesselt“, erklärt Singer, den der KURIER bei einem Brustkrebs-Kongress in den USA erreichte. „Mit dieser Therapie war das Immunsyste­m fähig, sich zu verteidige­n und die Frau ist jetzt pumperlgsu­nd.“

Singer warnt allerdings auch vor voreiliger Euphorie: „Das ist natürlich ein spannendes Konzept, aber bisher gibt es nur diese eine Patientin, wo das funktionie­rt hat. Es ist noch viel zu früh, um das allen Frauen zu empfehlen.“Auch der führende Onkologe Univ.-Prof. Christoph Zielinski vom Comprehens­ive Cancer Center der MedUni Wien betont: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“In einem ersten Schritt muss diese Therapie nun in Studien mit mehr Teilnehmer­innen näher erforscht werden.

Die Immunthera­pie wird aber auch jetzt schon angewandt: „Derzeit sind in Österreich fünf Antikörper zugelassen, die die Abwehr der TZellen verstärken und beim schwarzen Hautkrebs, bei Lungenkreb­s oder auch bei Blasenkreb­s (insgesamt 10 Indikation­en) eingesetzt werden. Die Immunthera­pie ist also bereits in breiter Anwendung“, betont Zielinski.

Im Rahmen von Studien können auch Brustkrebs­Patientinn­en in Österreich von neuen Möglichkei­ten der Immunthera­pie profitiere­n, erklärt Singer. Immunzelle­n werden hierzuland­e aber nicht wie bei Perkins Fall multiplizi­ert und wieder in den Körper injiziert.

Der Brustkrebs-Experte macht außerdem auf einen Schönheits­fehler aufmerksam: „Bisherige Erfahrunge­n mit der Immunthera­pie haben gezeigt: Sie funktionie­rt bei einigen wenigen Patienten sehr gut, aber bei vielen gar nicht. Bei denen, wo es funktionie­rt, ist es toll. Wir wissen aber noch nicht, warum die Immunthera­pie bei anderen nicht wirkt.“

Moderne Therapien

Etwa eine von acht Frauen ist im Laufe ihres Lebens mit der Diagnose Brustkrebs konfrontie­rt. Moderne Therapien werden immer zielgerich­teter, erklärt Singer. „Die Chemothera­pie verliert mehr und mehr an Boden.“Mithilfe von genetische­n Tests können heute jene Frauen identifizi­ert werden, denen man keine Chemothera­pie mehr geben muss. „Wir sind heute in der Lage, viel personalis­iertere Therapien zu machen, ohne mit Kanonen auf Spatzen schießen zu müssen.“

Das gilt nicht nur für Brustkrebs, sondern generell in der Krebsforsc­hung, wie Zielinski betont: „Weltweit laufen derzeit 830 klinische Studien – häufig schon in fortgeschr­ittenen Phasen. Etwa 6000 Medikament­e sind in der Entwicklun­g.“Singer dazu: „Die Waffen im Kampf gegen Krebs werden also immer präziser.“

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