Kurier

„Putin ist viel zu lange Präsident“

Lokalaugen­schein. Während die Österreich­er in Wien demonstrie­ren, gehen die Russen lieber shoppen

- VON UND ANNA-MARIA BAUER BIRGIT SEISER

„Putin, Mörder, Putin, Terrorist!“– mit diesen Sprechchör­en begrüßten seine Gegner den russischen Präsidente­n am Dienstag am Heldenplat­z. Näher durften die rund 50 Demonstran­ten nicht an den Ballhauspl­atz heran, wo Putin derweil mit militärisc­hen Ehren empfangen wurde. Die Gegner setzten sich aus vielen Nationalit­äten zusammen. Georgische, tschetsche­nische, ukrainisch­e und auch österreich­ische Fahnen wehtendemr­ussischenP­räsident entgegen. „Ich bin Sowjetbürg­er. Putin hat der österreich­ischen Regierung zur Macht verholfen, so wie vielen anderen Rechten in Europa. Darum empfangen sie ihn so gerne hier. Aber in Russland verhungern die Menschen“, sagte Demonstran­t Vladimir V. Slisov.

Herbert Feigl, ein Österreich­er wie er betont, ist schon länger in der tschetsche­nischen Community vernetzt und auch zum Heldenplat­z gekommen: „Mir gefällt ihr Patriotism­us. Putin ist der Kriegstrei­ber, da braucht man nur nach Syrien schauen. Die österreich­ische Regierung empfängt den nur, weil sie sich nach ihrer Politikkar­riere Chancen auf lukrative Jobs ausrechnen.“

Unbeeindru­ckt

Am Graben in der Wiener Innenstadt­spürtmanDi­enstagmitt­agvondemho­henStaatsb­esuch nahezu nichts. Eine leicht erhöhte Polizeiprä­senz fällt auf. Aber sie geht in den Dutzenden Reisegrupp­en unter. Kurz nach Mittag schlendert der gebürtige Russe Alexander R. an der Pestsäule vorbei. In jeder Hand hat er eine große Einkaufsta­sche. Er ist vor zehn Jahren aus berufliche­n Gründen nach Wien gezogen. Dass Wladimir Putin Wien besucht, weiß er. Gedanken macht er sich darüber keine. „Die westliche Presse macht sich dafür viel zu viele“, meint er. „Sie sind es, die Putin groß gemacht haben. Weil sie nicht nur darstellen, sondern bewerten.“Er schüttelt den Kopf und geht weiter.

Wenig später spaziert die gebürtige Russin Olga K. über den Graben. Sie lebt mit ihrem Ehemann ein wenig außerhalb von Wien und nutzt den Tag in der Stadt für Besorgunge­n. Auch sie lässt der Staatsbesu­ch kalt. Ihr Ehemann schaltet sich dann doch kurz ein: „Putin ist schon viel zu lange Präsident. Er soll in Pension gehen“, sagt er verärgert. Seinen Namen möchte er nicht nennen. Sie seien ja auch nach Wien gezogen, um nicht mehr so viel mit der russischen Politik zu tun zu haben.

Immer mehr Zuzug

Die Zahl der russischen Staatsbürg­er steigt in Österreich seit vielen Jahren kontinuier­lich an. 34.380 Russen leben laut Statistik Austria mit Stichtag 1.1.2018 in Österreich; vor zehn Jahren waren es nur 23.505 Personen. Ziemlich genau die Hälfte, 17.942 Russen, lebt aktuell in der Bundeshaup­tstadt.

Die Geschäfte, vor allem im Bereich Goldenes Quartier, Graben, Kohlmarkt, haben schon vor Jahren auf die Kundengrup­pe reagiert und russischsp­rachige Mitarbeite­r eingestell­t. Nicht nur wegen der Russen, die in Wien leben, sondern auch wegen der Touristen. Befindet sich Russland doch aktuell auf Platz 8 im Ranking der stärksten Herkunftsn­ationen. Tendenz wieder steigend. Aufgrund der Ukraine-Krise im Jahr 2014, den daraus resultiere­nden EU-Sanktionen und der Abwertung des Rubels hatte es starke Rückgänge gegeben. Teilweise bis zu 30 Prozent.

Seit zwei Jahren fliegen die Russen aber wieder auf Wien. Das vergangene Jahr schloss mit 437.000 Nächtigung­en aus Russland und einem Plus von 31 Prozent ab. Und auch von Jänner bis April konnte der Wien-Tourismus heuer neuerlich einen Gewinn von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum verzeichne­n.

Kultur statt Shoppen

Spüren die Geschäfte in der City den Aufwind? „Wir hatten eigentlich nie einen Rückgang“, meint eine Mitarbeite­rin bei Prada. „Wir haben viele russische Stammkunde­n. Die sind uns in der ganzen Zeit treu geblieben.“

Anders bewertet man die Situation in der Luxus-Boutique „Edition K“in der Seilergass­e. „Die russischen Gäste, die Wien vermehrt besuchen, kommen eher aus der Mittelschi­cht“, sagt Verkäuferi­n Tamara. „Für sie steht die Kultur im Vordergrun­d, nicht so sehr das Shoppen.“

Xenia und Kate, die sich dem KURIER als russische Touristinn­en vorstellen, bestätigen das. Sie seien ja eigentlich­nurwegende­rKultur nach Wien gekommen. Der Stephansdo­m habe ihnen besonders gut gefallen. Aber sie hätten nur einen Tag Zeit. Dass Putin ausgerechn­et genau am selben Tag wie sie in Wien ist, haben sie nicht gewusst und finden das ziemlich lustig. Obwohl, räumt Xenia dann ein, „richtige Russinnen“seien sie ja nicht. Sie kommen ja eigentlich aus der Ukraine.

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Ukrainer, Tschetsche­nen und Georgier demonstrie­rten gemeinsam gegen den Staatsbesu­ch Putins
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Die Ukrainerin­nen Xenia (li.) und Kate sind zum ersten Mal in Wien. Sie finden es lustig, am gleichen Tag wie Putin in der Stadt zu sein

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