Wien allein gegen die Russland-Sanktionen: „Warum nicht?“
Enge Wirtschaftsbande. Wladimir Artjakow, Präsident des Österreichisch-Russischen Geschäftsrates, erwartet „pragmatische Politik“Österreichs
Wladimir Artjakow ist Vizechef der russischen Staatsholding Rostec, zu der Technologiesowie Rüstungsfirmen wie Kalaschnikow zählen, und Präsident des 2007 gegründeten ÖsterreichRussischen Geschäftsrates.
KURIER: Herr Artjakow, mit welchen Erwartungen sind Sie nach Österreich gekommen? Artjakow:
Wir haben bei der Tagung 15 Abkommen mit österreichischen Unternehmen unterzeichnet, darunter eine langjährige Vereinbarung mit Gazprom über Gaslieferungen (Anm. bis 2040). Und es gibt Verträge mit Regionen der Russischen Föderation.
Um welche weiteren Themen geht es dabei konkret?
Hauptsächlich um Hochtechnologie. Wir wissen, dass in Österreich die hochtechnologischen Bereiche sehr entwickelt sind. Wir sehen gute Chancen für die österreichische Industrie gemeinsam mit Russland den euro-asiatischen Markt zu entwickeln.
Sind die Sanktionen hinderlich?
Ja, natürlich. Die Sanktionen behindern hauptsächlich die österreichischen Unternehmer. Aber auch wir verlieren viel Geld. Weil das Geld, das wir hier verdienen könnten, in andere Märkte fließt. Ich kenne viele österreichische Unternehmer, die ganz offen darüber sprechen, dass sie mit den Sanktionen der EU unzufrieden sind.
Erwartet Russland, dass Österreich sich für die Reduktion oder das Ende der Wirtschaftssanktionen der EU einsetzt?
Ich bin überzeugt, dass Österreich eine positive und pragmatische Politik gegenüber Russland vertritt. Emotionen sollten draußen bleiben.
Glauben Sie wirklich, Österreich kann als EU-Ratspräsident etwas gegen die EU-Mehrheitsmeinung verändern?
Warum nicht? Österreich ist ein unabhängiger Staat. Wenn in der EU alle Mitglieder gleich berechtigt sind, hat jeder Staat das Recht darauf, seine Meinung zu äußern. Wenn das nicht so geschieht, heißt das nur, dass die EU nicht demokratisch ist.
An der Krim-Annexion und im Ukraine-Konflikt hat sich nichts geändert. Warum also sollten die Sanktionen beendet werden? Müsste nicht der erste Schritt von Russland kommen?
Man kann auch sagen: Vielleicht waren die Sanktionen ein Fehler. Sie haben nichts verändert.
Handel beruht auf Vertrauen. Hat Russland Schritte gesetzt, um das beschädigte Vertrauen mit der EU wiederzugewinnen?
Ja, natürlich. Dazu gehören Projekte wie South Stream oder Nord Stream II. Sie dienen der Sicherheit der Energieversorgung Europas. Das ist für Europa gewinnbringend. Aber die europäischen Länder haben einen anderen Partner, der behindert all diese Projekte.
Sie meinen die USA, die mit Strafzöllen eine neue Situation schaffen. Wie ändert das Europas Beziehungen zu Russland?
Europa hätte sich schon viel früher Russland zuwenden sollen.
Ist es jetzt dafür zu spät?
Nein. Die richtigen Entscheidungen bleiben richtig, auch wenn sie ein bisschen später gefällt werden. Ganz Europa ist ein Drittel des Territoriums Russlands. Europa ist in seinen Grenzen eingeschränkt. Es hat keine Möglichkeit, sich auszubreiten. Ein verlässlicher Partner wie Russland kann Europa helfen sich weiterzuentwickeln. Russland ist eine gigantische Brücke, die Europa mit Fernost und Nahost verbindet. Das ungekürzte Interview finden Sie unter: www.kurier.at/wirtschaft