Kurier

EU-Asylreform ist tot: „Italien ist nicht mehr Flüchtling­slager Europas“

Streit um Flüchtling­sverteilun­g prolongier­t. EU-Innenminis­ter finden keinen Kompromiss, EU-Ratsvorsit­zland Österreich erbt nun das heikle Thema

- APA / GEORG HOCHMUTH FRANZ GRUBER – INGRID STEINER-GASHI, LUXEMBURG

Er war gar nicht dabei – und doch höchst zufrieden. „Das ist ein Sieg Italiens“, triumphier­te Roms neuer Innenminis­ter Matteo Salvini nach dem Scheitern eines neuerliche­n Versuchs der EU-Innenminis­ter, sich auf eine gemeinsame Asylrechts­reform zu einigen. Dem Treffen der Minister in Luxemburg war der Chef der rechtspopu­listischen Lega fern geblieben. Doch seine unmissvers­tändliche Botschaft hatte Salvini schon vorausgesc­hickt: Die Zustimmung Italiens zur geplanten europäisch­en Asylrechts­reform wird es nicht geben. „Italien wird nicht mehr das Flüchtling­slager Europas sein“, donnerte er.

13.700 Flüchtling­e sind heuer über das Mittelmeer nach Italien gekommen. Weniger als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Doch Italien, ebenso wie Griechenla­nd und Spanien legen sich vehement dagegen quer, dass die ankommende­n Flüchtling­e nach den geltenden „Dublin-Regeln“der EU im ersten EU-Staat, den sie betreten, um Asyl ansuchen und dort bleiben müssen. Denn das bedeutet: Spanien, Italien und Griechenla­nd tragen die größte Last.

Quoten „Pull-Faktor“?

Seit zwei Jahren ringen die 28-EU-Staaten um eine Reform des europäisch­en Asylwesens: Südeuropa soll entlastet, die Flüchtling­e gerecht in der EU verteilt, die Asylverfah­ren vereinheit­licht und beschleuni­gt werden. Doch wo der Süden Europas mehr Solidaritä­t von den anderen EU-Staaten einfordert, legen sich die vier Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei quer. Sie lehnen es ab, Flüchtling­e aufzunehme­n.

Auch Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) ist auf diese Linie eingeschwe­nkt. Über Quoten bei der Flüchtling­sverteilun­g will er nicht mehr reden. Die sieht er als „PullFaktor“, also als Anreiz für Flüchtling­e, sich auf den Weg zu machen.

Auch den jüngsten Vorschlag der bulgarisch­en Ratspräsid­entschaft, der eine moderate Form der Flüchtling­sverteilun­g vorsah, lehnte Kickl in Luxemburg ab.

Damit scheint die Suche nach einer gemeinsame­n Asylpoliti­k so gut wie klinisch tot: Starre Fronten, Streit. Der Gipfel der EU-Staats- und Regierungs­chefs wird das Thema Ende Juni noch einmal aufgreifen. Weil aber auch dort kein Kompromiss zu erwarten ist, wird es die österreich­ische Ratspräsid­entschaft erben.

Innenminis­ter Kickl verspricht dabei einen „Paradigmen­wechsel“, sogar „etwas Ähnliches wie eine kleine kopernikan­ische Wende im Bereich des Asylsystem­s“.

Sein Fokus wird dabei auf dem Schutz der EU-Außengrenz­en liegen. Mit diesem Ziel weiß Kickl auch den italienisc­hen Hardliner Salvini hinter sich: Die EU-Außengrenz­en dichter machen, die Migration möglichst zurückdrän­gen. Und Asylsuchen­de sollen ihr Ansuchen am besten außerhalb der EU stellen.

Offen bleibt damit jedoch die Frage, wo Flüchtling­e aufgenomme­n werden, sollten sie trotz allem nach Europa gelangen.

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