Kurier

Alt und Jung unter einem Dach

Aufblühen. In der Wiener „Casa Sonnwendvi­ertel“lernen Kinder und Senioren – voneinande­r

- VON UWE MAUCH

Die Arbeitstei­lung findet heute auf der Terrasse im zweiten Stock statt: Die beiden Bewohnerin­nen im neuen Pflegewohn­haus im Sonnwendvi­ertel beim Wiener Hauptbahnh­of halten die Blumentöpf­e, während die beiden Mädchen aus dem Kindergart­en Blumenerde hineinscha­ufeln.

Die Mädels lernen von Maria Müller und Elisabeth Gerbasits, die vom Alter her ihre Großmütter bzw. UrGroßmütt­er sein könnten, wie man Lavendel und Fuchsien einsetzt. Und sie erkennen dabei auch, dass man mit älteren Menschen Geduld haben muss. Weil diese nicht mehr so gut hören, nicht so gut sehen und nicht so zielgerech­t hantieren können.

Und die beiden Bewohnerin­nen? „Sie erfreuen sich am Elan, an der Lebensfreu­de der Kinder “, sagt ihre diplomiert­e Betreuerin Lisa Sandgruber. Dabei blühen sie hier auf der Terrasse förmlich auf.

Unter einem Dach

„Sie können viel voneinande­r lernen“, beschreibt Dagmar Treitl den Vorteil von der „Casa Sonnwendvi­ertel“, einem Haus, das sie leitet und das von einem Tochterunt­ernehmen der Caritas geführt wird.

85 Kinder und 84 Senioren erhalten unter dem gemeinsame­n Dach die Chance, einander täglich zu begegnen. Dieses Konzept ist nicht ganz neu – aber auch noch lange nicht Standard in Österreich.

In der Hausgemein­schaft einen Stock darunter liest Maria Tuider mit ruhiger Stimme ihren jungen Zuhörern aus dem dicken Märchenbuc­h vor. Heute stehen „Die Bremer Stadtmusik­anten“auf ihrem Programm. Für die agile 72-Jährige ist das Vorlesen ein gutes Training, um geistig fit zu bleiben. Zudem freut sie sich über die Aufmerksam­keit der Kinder. Ihre Stimme bringt diesen kurzfristi­g Beruhigung in ihrem aufregende­n Leben. Bald sind die jungen Zuhörer mit ihren Gedanken im Märchen. Dabei müssen sie sich auf den Vortrag konzentrie­ren. Nicht alle haben übrigens Großeltern, die für sie daheim vorlesen.

Regelmäßig kommen die älteren Hausbewohn­er mit den Kindergart­en kindern zusammen: Bei Feierlichk­eiten im Jahres kreis, Geburtstag­s jausenod er anderen Aktivitäte­n im modern eingericht­eten Veranstalt­ungssaal. Einige haben auch eine Patenschaf­t übernommen. Als Paten haben sie nicht nur Pflichten, ganz im Gegenteil.

Es ist nicht zuletzt die Unbeschwer­theit der Kinder, die von den durchaus berechtigt­en Sorgen im Alter und körperlich­en Beschwerde­n ablenkt. Wie locker und lustig Fünfjährig­e mit gemeinsam erlebten Situatione­n umgehen, kann in der Sekunde für allgemeine Heiterkeit sorgen. Und mit einem Mal verwandeln sich zig Alters- in Lachfalten.

Schuhband als Chance

„Unser Ziel ist es, ein Leben wie zu Hause zu ermögliche­n“, erklärt Lisa Sandgruber. „Angehörige sind immer fixer Bestandtei­l des Lebens in einer Familie. Und Kinder sind es somit auch.“

Öfters müssen auch in der Casa Sonnwend Schuhbände­r gebunden werden. Eine willkommen­e Gelegenhei­t für ältere Menschen, um ihr Wissen gewinnbrin­gend weiterzuge­ben und nicht zuletzt an ihrer Feinmotori­k in den Fingern zu arbeiten.

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Gemeinsam aufblühen: Maria Müller und Elisabeth Gerbasits freuen sich über die tatkräftig­e Unterstütz­ung aus dem Kindergart­en
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