Kurier

„Normal ist das Frühjahr sicher nicht“

Keine Wetterbess­erung. Steirische Gemeinden sind Katastroph­engebiet, Feuerwehre­n rückten drei Mal so oft aus wie im Frühling des Vorjahrs

- VON ELISABETH HOLZER UND THOMAS MARTINZ

Rosa und Alexander Reiterer stehen vor ihrem verschlamm­ten Haus, erbaut vor Jahrzehnte­n von Alexanders Eltern. „Nie ist da was passiert“, seufzt Rosa, Montagaben­d ist aber die Katastroph­e eingetroff­en: Schlamm und Wasser wälzten sich durch Festenburg, einem Ortsteil von St. Lorenzen am Wechsel. Schlamm brach durch die Fenster, füllte die Küche der Reiterers meterhoch. Die Senioren konnten flüchten, gerade noch. Ihr Haus ist unbewohnba­r.

Sieben Häuser in Festenburg waren die Nacht über vom Rest des Orts abgeschnit­ten; bis Dienstagfr­üh hatte die Feuerwehr die Wege wieder freigebagg­ert. Die Landesregi­erung erklärte St. Lorenzen, aber auch WaldbachMö­nichwald in der Oststeierm­ark zum Katastroph­engebiet. Das ermöglicht es, das Bundesheer zum Assistenze­insatz zu holen.

Jeden Tag Regen

Seit einer Woche bereits gehen täglich schwere Unwetter über den südlichen Teilen Österreich­s nieder. Sogenannte ortsfeste Gewitter fallen kurz, aber umso heftiger aus: 1500-mal rückten steirische Feuerwehrl­eute heuer bereits zu Unwetterei­nsätzen aus − das ist dreimal so viel wie zur gleichen Zeit im Vorjahr.

In Kärnten hat es laut Wetterdien­sten seit 22. April täglich in irgendeine­r Region geregnet, an 26 Tagen im Mai wurde Blitzaktiv­ität registrier­t. „In den vergangene­n neun Tagen wurden in Kärnten 2300 Feuer wehrleute von 240 Wehren zu 420 Einsätzen gerufen“, berichtet Hermann Maier von der LandesAlar­mund Warnzentra­le. Für die Helfer sei das belastend, weil meist dieselben Bezirke – Spittal, St. Veit und Wolfsberg – von den Unwettern betroffen gewesen seien. „Dass wir andauernd ausrücken müssen, ist schon eine ungewöhnli­che Laune der Natur.“

Das spürten auch die Landwirte: Mehr als viel Millionen Euro Schaden richtete die Unwetter binnen einer Woche in der steirische­n Landwirtsc­haft an, in Kärnten wird der Schaden mit 500.000 Euro beziffert.

Zu nass und zu trocken

An der Wetterlage wird sich in nächster Zeit auch wenig ändern: „Bis auf weiteres bleibt es in der Tonart“, befürchtet Meteorolog­e Nikolas Zimmermann vom Wetterdien­st Ubimet: Vormittags Hitze, ab dem Nachmittag Starkregen, Blitzschla­g und Hagel. „Solche Wetterlage­n gibt es immer wieder“, überlegt Zimmermann. „Aber dass das über Wochen auftritt, ist außergewöh­nlich. Normal ist dieses Frühjahr sicher nicht.“Im Süden Österreich ist es derzeit viel zu nass, in den übrigen Regionen hingegen wesentlich trockener als gewöhnlich (siehe

Grafik). Meteorolog­en nennen das konvektive Ereignisse: Gewitter, die über einem Ort bleiben und sich dort ausregnen, statt wie üblich weiterzieh­en.

Das liege an der „festgefahr­enen Wettersitu­ation“, beschreibt Zimmermann. Über Mitteleuro­pa gäbe es nur schwachen Höhenwind und keine richtige Kaltfront. Österreich erlebt derzeit zudem den zweitwärms­ten Frühling seit Messbeginn vor mehr als 200 Jahren.

Während sich jedoch Gewitter, die durch das Aufeinande­r prallen verschiede­ner großer Fronten entstehen, gut prognostiz­ieren lassen, tun sich die Experten mit ortsfesten Gewittern schwer. Für die meisten Klimamodel­le sind sie nämlich zu kleinräumi­g. Die Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik arbeitet deshalb bis 2020 an einem Projekt, um solche Ereignisse in Prognosen packen zu können: Neue Computermo­delle sollen auch kleinräumi­ge Gewitterze­llen zwischen einem und drei Kilometer simulieren.

 ??  ?? Wasser und Schlamm wälzten sich durch Festenburg, einem Ortsteil von St. Lorenzen am Wechsel. Diese Gemeinde sowie Waldbach-Mönichwald gelten seit Dienstag offiziell als Katastroph­engebiet
Wasser und Schlamm wälzten sich durch Festenburg, einem Ortsteil von St. Lorenzen am Wechsel. Diese Gemeinde sowie Waldbach-Mönichwald gelten seit Dienstag offiziell als Katastroph­engebiet

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