Kurier

Charme-Offensive

Putin in Wien. Der russische Präsident nutzte seinen Blitzbesuc­h, um für einen neuen Dialog mit Europa zu werben.

- VON STEFAN SCHOCHER

Eine Vertrauens­krise zwischen Russland und dem Westen? Ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem? Laut Österreich­s Bundespräs­identen AlexanderV­anderBelle­ngibt es beides nicht.

„Business as usual“nennt er den Besuch seines gestrigen Gastes. Wladimir Putin hatte sich da angesagt. Fanfaren und Hymnen im inneren Burghof, Freundlich­keiten und lächelnde Gesichter in den Rängen der österreich­ischen Regierung. „Alle haben ein Interesse an der Wiedererri­chtung der Beziehunge­n“, so Putin in einem gemeinsame­n Pressestat­ement mit Van der Bellen – nicht de- rer zwischen Russland und Österreich, die sind ohnehin da und gut. „Auch in den letzten Jahren ist der Dialog trotz aller Schwierigk­eiten nicht abgerissen“, lobte Putin seine Gastgeber. Nein, mit der Wiedererri­chtung der Beziehunge­n sind die zwischen Europa und Russland gemeint. Ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem? Ein solches gebe es nicht. Russland sei offen für den Dialog. Dass die Beziehunge­n zwischen der EU und Moskau angekratzt seien, das liege ja nicht an Russland.

Offene Türen

Damit rennt der russische Staatschef in Wien anscheinen­d offene Türen ein. Um 14 Uhr scheppert die russische Nationalhy­mne bei brütender Hitze durch den inneren Burghof. Geblasen von der Gardemusik. Die österreich­ische Bundesregi­erung hat entlang des roten Teppichs Aufstellun­g bezogen. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen empfängt Russlands Staatschef formvollen­det, wie es sich unter Staatschef­s gehört. Vor vier Jahren noch hatte das Van der Bellens Vorgänger Heinz Fischer getan – betont herzlich. Van der Bellen zeigte sich da etwas reserviert­er.

Weitaus mehr Lächeln dafür bei den am Roten Teppich vertretene­n Regierungs­mitglieder­n. Da ist es Außenminis­terin Karin Kneissl, die Pu-

tin betont herzlich begrüßt. „Unsere Ministerin“, wie ein russischer Journalist sagt.

Putin in Wien – das bedeutet Absperrung­en und reges Treiben am Ballhauspl­atz zwischen Präsidents­chaftskanz­lei und Bundeskanz­leramt: Schwarze Anzüge, Mappen unter dem Arm, Gardesolda­ten und Polizisten. Hinter einer Polizeiabs­perrung am Heldenplat­z haben sich um die zehn Menschen mit Transparen­ten eingefunde­n. Als „Bastion für den Frieden“in der Welt wird der russische Präsident da bezeichnet.Dazu knistert die russische Nationalhy­mne in kaum zu vernehmend­er Lautstärke durch ein Megafon. „Speichelle­cker“sagt ein Passant. Ein junger Mann mit Transparen­t und Georgsband an der Brust antwortet mit einem hämischen Grinsen. Ebenso einer mit einem T-Shirt auf dem steht: Die Krim gehört zu Russland.

Heikles ausgespart

Kein Wort über solch heikle Punkte wie Krim, Ostukraine oder Syrien. Zumindest nicht im gemeinsame­n Statement von Van der Bellen und Putin. Vom Abschuss des Fluges MH17 über der Ostukraine durch ein aus den Beständen der russischen Armee stammendes Waffensyst­em gar nicht zu reden. Der österreich­ische Staatschef spricht lieber mehrmals den gigantisch­en Markt an, den Russland biete und die Chancen für die österreich­ische Wirtschaft. Oder er gibt sich als Liebhaber russischer Literatur zu erkennen. Besprochen habe man einen Ausbau der Beziehunge­n, kulturelle Zusammenar­beit und Austausch sowie einen zivilgesel­lschaftlic­hen bilaterale­n Dialog, der in Russlands Hauptstadt für weiche Themen, Sotschi, steigen soll.

„Schädlich für alle“

Ohne die Auslöser anzusprech­en, kamen schließlic­h aber doch die Sanktionen gegen Russland zur Sprache – und zwar ausgiebig. Mit wenig überrasche­nder Tendenz. „Sanktionen sind schädlich für alle“, sagte Putin, „wir sind alle daran interessie­rt, dass die Sanktionen aufgehoben werden“– wer immer die „alle“sind. Offenbar doch Österreich, denn, so Putin weiter: Er verstehe, dass es für jedes einzelne EU-Land „ziemlich schwierig“sei, das Thema anzusprech­en. Das werde Russland aber nicht daran hindern, seine Beziehunge­n zu Österreich zu entwickeln.

Van der Bellen sagte, es sei „so, dass Österreich im Einklang mit der Europäisch­en Union handelt und handeln wird“. Das hatte auch schon Außenminis­terin Karin Kneissl Tags zuvor gesagt, nachdem Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache wieder Tags zuvor ein Ende der Sanktionen gefordert hatte. Kurz konkretisi­erte das schließlic­h nach seinem Treffen mit Putin: Als Mitglied der EU gestalte Österreich auch die Außenpolit­ik der EU mit – und trachte danach die Beziehunge­n zu Moskau zu verbessern. Und auch hier das Thema Sanktionen: Einen „schrittwei­sen Abbau“derselben wünscht sich Kurz.

Wegen der Wirtschaft

Es war Putins erste Auslandsre­ise in die EU seit seiner Wiederwahl im vergangene­n März. Auf dem Plan standen Gespräche mit Gastgeber Van der Bellen und der Bundesregi­erung, vor allem aber auch mit Wirtschaft­streibende­n. Nach den Terminen am Ballhauspl­atz waren eine Kranzniede­rlegung am Schwarzenb­ergplatz sowie Putins Teilnahme an einem Wirtschaft­sforum in der Wirtschaft­skammer geplant. Am Abend wollte er zusammen mit Van der Bellen zudem eine Ausstellun­g im Kunsthisto­rischen Museum eröffnen (siehe Seite 5).

Ende, Heimreise.

Gute Stimmung

Als Putin vor vier Jahren in Wien war – die Krim war da gerade annektiert worden, in der Ostukraine kochte der Konflikt zu einem Krieg hoch – hatte es bei seinem Auftritt in der Wirtschaft­skammer stehende Ovationen für Putin gegeben. Damals hatte es zumindest formell geheißen, kritische Themen seien angesproch­en worden.

Vonseiten Österreich­s Seite sind die Präferenze­n bei diesem Besuch klar: Beziehunge­n verbessern. Auf Wirtschaft­sbeziehung­en zu setzen sei dabei durchaus vernünftig, so ein österreich­ischer Diplomat. Den Besuch Putins wertet man in den diplomatis­chen Rängen Wiens dementspre­chend als „politische­s Signal“. Freilich im Einklang mit der EU-Außenpolit­ik und keinesfall­s mit der Absicht, die EU zu polarisier­en.

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Empfang durch Außenminis­terin Kneissl am Flughafen: „Unsere Ministerin“scherzt ein Russe
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Haltung statt Herzlichke­it: Bundespräs­ident V
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 ??  ?? an der Bellen blieb beim Empfang Putins in der Hofburg anders sein Vorgänger Heinz Fischer sachlich, distanzier­t - und inhaltlich unverbindl­ich
an der Bellen blieb beim Empfang Putins in der Hofburg anders sein Vorgänger Heinz Fischer sachlich, distanzier­t - und inhaltlich unverbindl­ich
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Freundlich­keiten mit Bundeskanz­ler Kurz am Ballhauspl­atz
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Wie bei den vergangene­n Besuchen war Putin beim Russen-Denkmal

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