Kurier

Berlin: Viele Probleme durch separate Klassen

Fragliches Vorbild. „Willkommen­sklassen“sind Modell für Österreich, haben aber zweifelhaf­ten Ruf

- – E. PETERNEL

Immer, wenn in Österreich von Deutschkla­ssen die Rede ist, zeigt man auf Berlin: Dort hätte man mit Willkommen­sklassen für Flüchtling­skinder gute Erfahrunge­n gemacht, so das Bildungsmi­nisterium.

Allein: So rosig ist die Bilanz nicht. Die separaten Klassen, die mit der Flüchtling­swelle 2015 installier­t wurden, haben eher eine durchwachs­ene Bilanz vorzuweise­n – das bestätigen sowohl Praktiker als auch Wissenscha­ftler: „Ich hatte in meiner Willkommen­sklasse sechs Kinder aus verschiede­nen Ländern – alle traumatisi­ert und ohne Deutschken­ntnisse“, erzählt eine Berliner Lehrerin, die anonym bleiben möchte. „Die Kinder waren aggressiv, doch ich fühlte mich die meiste Zeit hilflos, da ich weder Sprachassi­stenz noch Sozialarbe­iter an meiner Seite hatte.“Die Kinder aus den Regelklass­en hätten die „Flüchtling­skinder“zudem als Fremdkörpe­r wahrgenomm­en – „so funktionie­rt Integratio­n leider nicht, wie sie sollte.“

Die Schilderun­gen der Pädagogin bestätigt auch ein Evaluierun­gsbericht, den die Humboldt-Universitä­t Berlin dazu erstellt hat. Dort bestandet man, dass zu wenig finanziell­e Mittel für die „Willkommen­sklassen“da seien, sich Lehrer vielfach „allein gelassen fühlen“. Die Eltern der Kinder würden selbst auch kein Deutsch verstehen – das sei ein Mehraufwan­d, dem die Lehrer meistens nicht gewachsen seien, weshalb oft teure Übersetzun­gsagenture­n aushelfen müssten.

Das alles führe dazu, dass Kinder in separaten Klassen mit deutlich mehr Problemen zu kämpfen hätten als in solchen mit integrativ­em Charakter – also jenen, wo Flüchtling­skinder gemeinsam mit deutschspr­achigen Kindern unterricht­et werden. Auch der Umstieg zwischen beiden Typen sei dadurch schwierig. Zwar heißt es seitens der Verwaltung, dass 80 Prozent der Kinder den Übergang in die Regelklass­en in unter neun Monaten schaffen. Allerdings, so bekrittelt die Studie, würde der weitere Weg der Kinder nicht mehr untersucht – und der sei vermutlich nicht immer erfolgreic­h.

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