Kurier

Fragestund­e bei Merkel: Alles halb so schlimm

Neues Format im Bundestag. Das Kreuzverhö­r blieb aus, allerdings auch die Erkenntnis­se

- – S. LUMETSBERG­ER, BERLIN

Man kann der deutschen Kanzlerin ja einiges vorwerfen: Sie sei keine gute Rhetoriker­in, neige in ihren Vorträgen zu Detailvers­essenheit – und auf Diskussion­en im Bundestag hat sie auch keine große Lust. Doch aus der Ruhe lässt sie sich nicht bringen, selbst wenn es durch den aktuellen Skandal um die Flüchtling­sbehörde (Bamf) allen Grund dazu gäbe.

Dass sie sich dazu gestern erstmals in einer Regierungs­befragung den Parlamenta­riern stellen musste, hat sie der SPD zu verdanken. Nach Vorbild des britischen „Prime Minister's Questions“darf sie sich jetzt drei Mal im Jahr befragen lassen – so steht’s im Koalitions­vertrag. Doch das von einigen Fraktionen erhoffte Kreuzverhö­r blieb aus. Selbst als die AfD zum Angriff blies, Hardliner Gottfried Curio sehr persönlich wurde: Sie habe in der Flüchtling­spolitik alles falsch gemacht, sie sei für Messerstec­hereien von Migranten, Vergewalti­ger und Mörder verantwort­lich und zum Schluss fragte: „Wann treten Sie zurück?“

Ohne eine Miene zu verziehen, richtete sich Merkel das Mikrofon zurecht und sprach von einer „außergewöh­nlichen humanitäre­n Situation“des Jahres 2015. Sie habe dies auch bereits in einer Regierungs­erklärung deutlich gemacht.

Die Provokatio­n der AfD ging also nicht auf, war vermutlich für ihr Publikum in den sozialen Netzwerken gedacht. Unionsfrak­tionschef Volker Kauder ging später auf Alice Weidel zu, es wirkte wie eine Zurechtwei­sung, ob der Auftritt denn nötig war.

Weitere Fragen parierte die Kanzlerin schnell, teils ausweichen­d wie bei Fragen zum Dieselskan­dal („Ich sehe noch Gesprächsb­edarf“) oder mit langatmige­n Antworten, wie nach der Kritik von FDP-Chef Lindner. Er stoße sich an den kurzfristi­gen Krediten, die es künftig für Not leidende Länder in der Eurozone geben soll.

Anderen rieb Merkel wiederum die Errungensc­haften der SPD als die ihren unter die Nase. Als sie zum zweiten Mal vom Mindestloh­n schwärmte, flüsterte SPD-Chefin Andrea Nahles ihrem Sitznachba­rn ins Ohr. Oder Merkel ging so sehr ins Detail, dass manch Abgeordnet­er immer tiefer in den Sessel sank. Wirklich erhellende Fakten kamen nicht zum Vorschein, was auch am Format lag: Eine Minute pro Frage, vier Minuten für die Antwort, geben wenig Spielraum für Tiefe. Die Kanzlerin schien nach mehr als 63 Minuten Pingpong zufrieden. So hölzern ihr Auftreten oft bei Parteitage­n oder Pressekonf­erenzen wirkt, das spontane Auftreten unter Druck, ließ sie übermütig werden: „So schade es ist: Es ist halt zu Ende“, verkündete sie gegen 13.30 Uhr, packte ihre Tasche und versprach: „Aber ich komm ja wieder.“

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Drei Mal im Jahr muss sich die Kanzlerin künftig befragen lassen

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