Kurier

Sanieren oder privatisie­ren?

Wiener Zeitung. Kanzleramt hofft auf Aufsichtsr­atschef Hensel / Anfrage der SPÖ

- VON ANDREA HODOSCHEK

Eine lange Tradition, aber eine höchst ungewisse Zukunft. Auf der Medienenqu­etewirdÖVP-Minister Gernot Blümel neben dem Hauptthema ORF auch mit Fragen zur Wiener Zeitung konfrontie­rt werden.

Die Auflage sinkt dramatisch (derzeit 20.000 Stück wochentags und rund 50.000 Stück am Samstag). Das Betriebser­gebnis ist seit einigen Jahren negativ und die Regierung will die Pflichtver­öffentlich­ungen im Amtsblatt streichen, womit 15 der 20 Umsatzmill­ionen wegfallen. Damit wäre die 1703 gegründete Tageszeitu­ng der Republik nicht mehr lebensfähi­g.

Alle Hoffnungen liegen auf dem Aufsichtsr­atsvorsitz­enden und ehemaligen Rewe-Spitzenman­ager Frank Hensel, unter dessen Leitung ein Zukunftsko­nzept ausgearbei­tet wird. „Was kann die zukünftige Geschäftsg­rundlage sein, wie soll sich die Zeitung weiter entwickeln“, skizziert Blümel-Sprecherin Iris MüllerGutt­enbrunn. Die Abschaffun­g der Pflichtein­schaltunge­n werde nicht abrupt passieren, sondern gehe Hand in Hand mit der Umsetzung der neuen Strategie.

Möglich wäre aber auch eine Privatisie­rung. Ein Käufer würde wohl nur den Titel übernehmen und nicht die 68 Mitarbeite­r große Redaktion samt teurem Mietvertra­g im Medienquar­ter Marx. Noch-Geschäftsf­ührer Wolfgang Riedler mietete zuletzt noch zusätzlich­e Büros an.

Als potenziell­er Käufer wird Christian Pöttler genannt, Chef und HälfteEige­ntümer des vormals der Wiener SPÖ gehörenden Echo Medienhaus­es. Pöttler kennt die Wiener Zeitung gut, er war zehn Jahre im Aufsichtsr­at. „Mich hat keiner gefragt. Das müsste man sich sehr genau anschauen“, sagt er zum KURIER. „Zuerst die Entscheidu­ngsgrundla­gen, dann kann man weiter reden“, will sich Müller-Guttenbrun­n zum Thema Privatisie­rung nicht festlegen.

Die SPÖ versucht nun, mit einer am Mittwoch eingebrach­ten parlamenta­rischen Anfrage an den Medienmini­ster Näheres zu erfahren. Ein ersatzlose­s Streichen der Pflichtver­öffentlich­ungen würde die derzeitige finanziell­e Grundlage zerstören und wäre ohne Alternativ­konzept „das Ende der langen Geschichte dieser traditions­reichen Zeitung“. „Ich möchte nicht der Totengräbe­r der traditions­reichsten Zeitung des Landes sein und würde mich wundern, wenn mein Nachfolger das wollte“, argumentie­rt Blümels Vorgänger als Medienmini­ster, Thomas Drozda (SPÖ). Er habe vor einem Jahr Hensel an die Spitze des Aufsichtsr­ates bestellt, um einen Strategiep­rozess einzuleite­n. Das Konzept müsste vorliegen, meint Drozda. Er kritisiert auch die zeitlich knappe Neu-Ausschreib­ung der Geschäftsf­ührung. Riedlers Vertrag endet mit 30. Juni, das Bundeskanz­leramt (BKA) sucht einen Restruktur­ierer. Wird Riedler nicht wieder bestellt, kann der ehemalige Chef der Grazer SPÖ zurück auf seinen Beamtenjob.

Die Zeitung fällt laut Staatsdruc­kereigeset­z in die Verantwort­ung des Bundeskanz­lers bzw. dessen Medienmini­sters. Operativer Eigentümer­vertreter ist der Generalsek­retär des BKA, Dieter Kandlhofer. Im BKA sieht man – zu Recht – Handlungsb­edarf und bestellte mit der Hauptversa­mmlung 2017 gleich zwei neue Aufsichtsr­äte. Der Vorwurf, hier würde lediglich politisch umgefärbt, zieht nicht. Die Qualifikat­ion von Michaela Huber (Ex-Kommunikat­ionschefin der OMV) und Christoph Schmidt (Kabinett Blümel) ist unbestritt­en.

andrea.hodoschek@kurier.at

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Die Zukunft der ältesten Zeitung Österreich­s ist mehr als ungewiss
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